Ernte 2013: Weizen - Rückkehr zur Normalität

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 22.05.2013


Höhere Ernteprognosen und Regen-Prognosen für die USA, Süd- und Osteuropa haben nicht nur an den Börsen deutliche Bremssputen hinterlassen. Die Finanzindustrie interpretiert die Vorhersagen von Angebot und Nachfrage als Baisse-Signal und verursacht damit latenten Preisdruck am Realmarkt. Wie wird es angesichts einer engen Versorgungsbilanz weitergehen?

 

Marktlage
Der Getreidemarkt befindet sich bereits seit Wochen im Rückwärtsgang. Denn die globalen Ernteerwartungen für Weizen haben sich in der letzten Zeit merklich verbessert.
• Wüchsiges Wetter und eine zumeist äußerst gute Bestandsentwicklung in Deutschland,
• die Aussicht auf eine etwas höhere EU-Ernte als im Vorjahr und
• Prognosen, die die Welt-Weizenernte 2013/14 zwischen 5 und 7 % höher als im Vorjahr einschätzen
haben den latenten Preisdruck in den letzten Tagen zusätzlich verstärkt.

Wen wundert es da, daß sowohl an den Weizen-Börsen als auch im Geschäft am Realmarkt die Weizenpreise den Rückwärtsgang eingelegt haben. Wurde vor kurzem noch über ex-Ernte-Preise für Brotweizen von 195 bis 215 Euro/t netto verhandelt, so liegen die Preisangebote zwischenzeitlich rund 10 bis 15 Euro/t niedriger.

Nicht nur der Preisdruck hat sich verstärkt, sondern auch das Interesse der Produzenten, jetzt noch Geschäfte ex-Ernte unter Dach und Fach zu bringen. Währenddessen haben die Verarbeiter ihre Kaufaktivitäten stark zurückgefahren und spekulieren auf weitere Preisrückgänge. Die erhöhte Verkaufsbereitschaft bei gleichzeitig rückläufigem Kaufinteresse bringt die Preise zusätzlich unter Druck, zumal viele Verarbeiter ihren Anschlußbedarf aus der Ernte heraus bereits zu einem - im Vergleich zu anderen Jahren - hohen Anteil gedeckt haben sollen.

Auch prompte 2012er Ware, - vor kurzen noch unter Gewährung von Prämien gesucht -, ist inzwischen in den Abwärtssog der Kurse für die neue Ernte geraten.


Noch vor kurzem zeigte sich der Preistrend für prompte Ware völlig unbeeindruckt von den anhaltend rückläufigen Börsenkursen für neuerntige Ware. Doch in den letzten Tagen hat sich der Preisabstand nicht nur bei Brotweizen merklich verkleinert. Qualitätsweizen kann bereits seit längerem lediglich 1 bis 4 Euro/t mehr erlösen. Die Mischfutterwerke haben ihre Nachfrage nach Futterweizen deutlich zurückgefahren.

 

Fakten

  • Welt: Höhere Ernte-Prognosen
    Der Internationale Getreiderat (IGC) hat seine Prognose Ende April zwar leicht um 3 Mio.t nach unten revidiert, erwartet mit 680 Mio.t Tonnen jedoch nach wie vor eine um 3,8 % höhere Ernte als im Vorjahr. Die Analysten des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) haben ihre erste Prognose für die Ernte 2013/14 am 10.05.2013 vorgelegt. Sie erwarten eine um 6,9 % höhere Weizenernte als im Vorjahr.

    in Mio. t
    Weizen
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    EU-27
    Welt
    Welt
    EU-27
    2007/08
    612,5
    120,1
    614,2
    128,4
    12,4
    2008/09
    683,6
    151,1
    637,1
    168,3
    19,9
    2009/10
    686,6
    138,8
    650,2
    201,5
    16,2
    2010/11
    652,2
    136,0
    653,8
    198,9
    11,8
    2011/12
    697,2
    137,3
    696,9
    199,5
    13,7
    2012/13
    655,6
    132,1
    674,9
    180,2
    9,8
    2013/14 Prognose vom:
    10.05.2013
    701,1
    138,8
    694,9
    186,4
     14,4
    Quelle: USDA


    Auch wenn die globalen Lagerbestände in der laufenden Saison stark abschmelzen, kommen keine Knappheitsthesen auf. Denn die Ernteerwartungen für 2013/14 würden zu einem Wiederaufbau der Endbestände führen. Damit verliert auch die stetige Nachfrage der Importländer ihre Hausse-Wirkung.

    Dennoch übersteigt die globale Produktion den erwarteten Verbrauch nur geringfügig. Produktionsausfälle in wichtigen Exportländern hätten daher unmittelbare Hausse-Wirkung. Da jedoch das aktuelle Preisniveau noch immer auf einem ungewöhnlich hohen Niveau liegt, bleibt der Preisspielraum nach oben eng begrenzt.


    Eine etwas niedrigere Prognose hat das US-amerikanische Analystenhaus Lanworth Inc. Mitte der Woche vorgelegt. Für 2013/14 rechnen die Lanworth-Experten nur mit einer globalen Weizenernte von 694 Mio.t. Vor allem für Australien, Kanada, die Ukraine und Rußland liegen die Erwartungen unter denen des USDA.

    Das kanadische Landwirtschaftsministerium hat dagegen seine Ernteerwartungen um 1 Mio.t nach oben korrigiert. Mit 29,4 Mio.t erwartet man jetzt eine um 8 % größere Ernte als im Vorjahr (27,2 Mio.t).

     Baisse-Tendenz

 

  • EU: Gute Ernteerwartungen
    Höhere Temperaturen und wüchsiges Wetter haben in vielen Ländern der EU eine wahre "Vegetations-Explosion" ausgelöst.

    Damit haben sich auch die Ernteerwartungen für die EU-27 deutlich verbessert. Die Prognose-Abteilung der EU-Kommission hat am 21.05.2013 ihre Prognose für Weichweizen zwar leicht nach unten korrigiert, rechnet aber immer noch mit rund 2,3 % höheren Erträgen als im Vorjahr. Allerdings liegen die Ertragsschätzungen für 2013 rund 1,7 % niedriger als im 5-Jahres-Durchschnitt.

    Sorgen bereiten derzeit vor allem die infolge von Dauernässe und Kälte geringeren Ernteerwartungen in Großbritannien und Irland. Nachdem das Quecksilber in Großbritannien Anfang Mai bis auf 22°C geklettert war, haben Schneefälle am 16.05.2013 in den Grafschaften Cornwall und Devon im Südwesten Englands wieder für eine geschlossene Schneedecke gesorgt. Laut amtlichem Wetterdienst war dies das erste Mal seit dem 17. Mai 1955, als zu dieser Jahreszeit Schnee in England und Wales lag.


    Schneedecke im Südwesten Englands am 16.05.2013


    Im Südosten der EU haben bis Mitte diese Woche Trockenheit und Hitze den Pflanzenbeständen stark zugesetzt. In Rumänien, dem fünftgrößten Weizen-Exporteur in der EU, regnet es seit heute und die Temperaturen liegen wieder unter der 30°C-Marke. Rund 78 % der rumänischen Weizenanbaufläche war zuletzt von einer extremen Dürre betroffen. Da auch für die kommenden Tage Regen vorhergesagt ist, sollten sich die Ernteaussichten angesichts der noch bevorstehenden Kornfüllungsphase aber wieder verbessern.

     Baisse-Tendenz

 

  • Deutschland: Höchste Ernteerwartungen seit 2010
    Nach den günstigen Witterungsbedingungen in den vergangenen Wochen hat der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) seine Prognose gegenüber April angehoben. Der Verband rechnet jetzt mit einer flächen- und ertragsbedingten Steigerung der gesamten Weichweizenproduktion um 1,29 Mio.t auf 23,62 Mio.t. Das sind 479.700 t mehr als im April vorausgesagt.


    Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, würde die Weichweizenernte in Deutschland rund 5,8 % bzw. 1,3 Mio.t höher ausfallen als im Vorjahr. Die Weichweizenernte könnte damit beinahe an das Ergebnis von 2010 heranreichen.

     Baisse-Tendenz

 

Prognose
Am 15.02.2013 hieß es an dieser Stelle: "... Die Anzeichen für eine weitere Abkühlung im Börsenhandel mehren sich. ... Aktuell bietet das vergleichsweise hohe Preisniveau unter kaufmännischen Gesichtspunkten gute Rendite-Chancen vom Acker. Nicht nur der Verkauf der Ernte 2012, sondern auch die Vermarktung der kommenden Ernten - 2013 und 2014 - sollten geplant werden. ..."

Der Blick in die Vergangenheit zeigt: Diese Einschätzung hat sich zwischenzeitlich bestätigt.
Der Blick in die Zukunft führt zu der Frage: Wie geht es weiter?

Ob IGC, USDA, EU-Kommission oder private Analysten - die Prognosen zur Welt-Weizenernte 2013 haben eines gemeinsam: Von ihnen gehen keinerlei Hausse-Signale aus. Zu hohe Ernteerwartungen und zu geringe Witterungsrisiken, so lautet die derzeitige Einschätzung an den Börsen. Hinzu kommen die schwachen Konjunkturindikatoren, die den Glauben an Wachstum, steigenden Verbrauch und wachsenden Welthandel bremsen.

Auch am Kassamarkt sorgen die negativen Vorgaben der Börsen und die global höheren Ernteaussichten für latenten Preisdruck. Angesichts der niedrigen Lagerbestände aus vorangegangenen Ernten und der nur knapp bedarfsdeckenden Ernteerwartungen dürften die Preise nach meiner persönlichen Einschätzung vorerst tendenziell rückläufig bleiben. Sollte es zu unerwarteten Ernteausfällen kommen, könnte der Preistrend allerdings auch wieder leicht nach oben drehen. Doch auch dann dürfte der Preisspielraum nach oben - angesichts des derzeit hohen Preisniveaus - begrenzt bleiben.

 
 
 
Vorhergehende Beiträge
17.04.2013 Weizen: Die Preisschere öffnet sich weiter
15.02.2013 Weizen: Auf Korrekturkurs   *** Nur für CASH!-Mitglieder ***
06.02.2013 Weizen: Ernüchterung
12.12.2012 Weizen: Kurs-Fiasko auf dem Börsen-Parkett
12.12.2012 Weizen: Preisdelle nach US-Prognose
26.11.2012 Weizen: Hausse-Trend versus Korrektur-Risiken
06.11.2012 Weizen: "Knappheits-Thesen" sorgen für Preisauftrieb   *** Nur für CASH!-Mitglieder ***
   
 
 
 
 

Seitenanfang