Weizen: Komfortable Versorgungslage

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 23.02.2012


Einen Tag im Minus - am Folgetag wieder im Plus. An den Börsen reagieren die Kurse derzeit auf jede neue Meldung von der Wetter- und Vegetationsfront. Die Kurstrends wechseln im Takt der Meldungen über Auswinterungsschäden, Exportsperren oder Lagerbestände. Doch wie "knapp" ist Weizen wirklich?

 

Marktlage
Anfang der Woche erfaßte das Tauwetter auch die Weizenpreise. Jetzt ziehen die Börsenkurse wieder an, denn das teilweise jämmerliche Anblick der auftauenden Feldbestände sorgt an den Bösen erneut für Risikoaufschläge.

Während heute auf der anderen Seite des Atlantiks die Weizenkurse auf der Verlustseite stehen, zeigt der Kurstrend an den europäischen Börsen nach oben.

An der Warenterminbörse in Paris erreichte der März-Termin am 06.02.2012 mit 222,25 Euro/t den höchsten Stand seit Juni 2011. Der Rückzug des Winters aus Westeuropa brachte den Weizen-Future in die Verlustzone. Seitdem pendeln die Kurse stark mit einem deutlichen Hang zur Schwäche.

Am Kassamarkt sorgten die positiven Börsen-Vorgaben der letzten Wochen für steigende Preise. In der Hoffnung auf weitere Preisanstiege halten viele Verkäufer die noch vorhandene Lagerware zurück, so daß derzeit der Realmarkt zusätzlich "ausgetrocknet" wird. Prompte Ware läßt sich derzeit oftmals nur mit Aufgeldern aus dem Lager locken.

 

Fakten

  • Welt: Komfortable Lagerbestände
    An den Märkten kam Weizen in den letzten Tagen zunehmend unter Druck, nachdem sich abzeichnet, daß die globalen Lagerbestände auf ein neues Allzeit-Hoch klettern könnten. Mit deutlich über 200 Mio.t werden die weltweiten Lagerbestände 2011/12 rund 4,6 % höher als im Vorjahreszeitraum geschätzt. Im Vergleich zu den Hausse-Jahren 2006 und 2007 liegen die Endbestände sogar 73 % bzw. 55 % höher.

    Auch die Lagerbestände der Hauptexporteure (Argentinien, Australien, EU, Kanada, Kasachstan, Rußland, Ukraine, USA) wachsen erneut leicht an.


    Zur Ernte 2012 rechnet man erneut mit einer weltweiten Ausdehnung der Weizen-Anbaufläche um 1,7 %. Das wäre die größte Anbaufläche seit 1998. Aufgrund der schlechten Startbedingungen in weiten Regionen der USA und Osteuropas wird dennoch mit einer etwas geringeren Produktion als 2011/12 gerechnet.

     Baisse-Tendenz

 

  • EU: Ernte auf Vorjahresniveau
    Auch in der EU, dem 2.-größten Exporteur, haben die hohen Preise den Weizenanbau attraktiver gemacht. Nach Einschätzung des Int. Getreiderates (IGC) ist die Anbaufläche in der EU-27 um 1,2 % ausgeweitet worden.

    Das französische Analystenhaus Tallage geht ebenfalls von einer leichten Ausweitung der Weizenanbaufläche aus und gab vor wenigen Tagen bekannt, daß Frostperiode in der EU nur zu begrenzten Auswinterungsschäden geführt habe. Frostschäden werden vor allem für Tschechien, Slowakei, Rumänien und Polen ausgewiesen.

     Baisse-Tendenz

 

  • USA: Anbauausweitung
    In den USA, der Nr.1 unter den Exporteuren, wird mit einer Ausweitung der Weizenanbaufläche um 5,2 % gerechnet, obwohl das Exportgeschäft erst in den letzten Wochen wieder flotter in Gang gekommen ist.

    Im Herbst hatten die Weizen-Bestände vor allem im Südwesten infolge der Trockenheit keine guten Startbedingungen und gingen schwach in einen Winter, der bisher allerdings ungewöhnlich mild verlief. Abzuwarten bleibt, wie sich das Wetter nach dem Winter zur Aussaat und im weiteren Vegetationsverlauf entwickelt.

     Baisse-Tendenz

 

 

  • Rußland: Begrenzte Auswinterungsschäden
    In Rußland waren die Aussaatbedingungen vor allem auf den südlichen Schwarzerde-Böden gut. Die Winterweizenfläche wurde um 5 % ausgedehnt, doch jetzt bleibt abzuwarten, was die Kältewelle in den Feldbeständen angerichtet hat. Nach Einschätzung der russischen Getreide-Union sind nur 7 bis 10 % der Winterweizenfläche auswinterungsgeschädigt. Damit bleiben die Auswinterungsschäden im "Normalbereich" der Vorjahre (5-10 %).

    Auf einem großen Teil der "verlorenen" Flächen wird Sommerweizen - ohnehin der größte Anteil beim Weizenanbau in Rußland - nachgebaut werden. Angesichts der Anbauausweitung dürften die Ernteeinbußen daher begrenzt bleiben.

     Baisse-Tendenz

 

  • Ukraine: Hohe Auswinterungsschäden
    In der Ukraine konkretisierten sich bereits im Herbst hohen Schäden in den Wintergetreide-Beständen. Ein Drittel der Bestände wurde als „sehr schwach“ eingestuft. Der Kälteeinbruch dürfte jedoch die größten Auswinterungsschäden seit 8 Jahren angerichtet haben.

    Lauf ukrainischem Landwirtschaftsministerium könnte die Getreideernte bei pessimistischer Einschätzung auf 42 Mio.t zurückgehen und bei optimistischer Einschätzung 50 Mio.t erreichen. Bei Winterweizen wird ein Ausfall der Flächen von bis zu 40 % erwartet. Dies läßt für das Frühjahr einen größeren Anbau an ertragsschwächerem Sommergetreide sowie einen höheren Nachbau mit Gerste und Mais erwarten. Das ukrainische Landwirtschaftsministerium schätzte daher die Weizenernte 2012 zu diesem frühen Zeitpunkt nur auf 15 bis 16 Mio.t (Vj.: 22,0).

    Beim Weizen-Export tritt die ukrainische Regierung jetzt auf die Bremse, plant jedoch keine neuen Exportbeschänkungen. Laut Agenturmeldungen hat die Regierung in Kiew mit den Getreidehändlern allerdings vereinbart, die Weizenexporte im Zeitraum Februar bis Juli zu begrenzen

    Hausse-Tendenz

 

  • Australien: Neue Rekord-Ernte
    Australien, 4.-größter Exporteur, hat eine Super-Ernte eingebracht. Eine Weizenernte von 29,5 Mio t kann den Ernterekord des letzten Jahres (27,9 Mio t) noch einmal toppen. Australien will daher seinen Anteil am weltweiten Weizengeschäft weiter steigern und steht daher in Wettbewerb mit Rußland um den Platz Nr.2 am Weltmarkt. Abzuwarten bleiben die Anbaupläne der australischen Farmer zur nächsten Aussaat ab Mai..

    Baisse-Tendenz

 

 

Prognose
Global betrachtet ist für die verbleibende Saison 2011/12 und für 2012/13 eine komfortable Versorgung am Weizenmarkt zu erwarten - unter "normalen" Bedingungen (Anbau- und Erntewetter, Konjunktur ...).

Sollte es jedoch zu unerwarteten Ernteausfällen kommen, könnte sich der Kurstrend schnell nach oben drehen. Ein erneutes Aufflackern der Finanzkrise wie beispielsweise im September 2008 (Lehman-Pleite) könnte aber auch einen krassen Preisrutsch auslösen. Den aktuellen Witterungsrisiken stehen zudem Abschwungsrisiken an den Rohstoffmärkten gegenüber. Für die Weizen-Erzeuger wachsen damit die Preis- und Produktionsrisiken.

Derzeit fehlen neue "schlechte Nachrichten", so daß Gewinnmitnahmen an den Börsen zu Kursverlusten führen.

Die Entwicklung an den Kapital- und Rohstoffmärkten, die Versorgungs- und Preissituation an den Nahrungsmittelmärkten und die Ernteaussichten 2012 sprechen nach meiner persönlichen Einschätzung aktuell nur für latenten Preisdruck. Doch bereits in den kommenden Wochen könnten stärkere Preiskorrekturen anstehen, --- sofern sich keine deutlichen Ernteausfällen bestätigen sollten. Für die kommenden Monate rechne ich jedoch bereits wieder damit, daß der Preistrend allmählich wieder nach oben dreht.

Mit zeitweilig starken Preisschwankungen aufgrund der hohen Volatilität an den Börsen muß auch weiterhin gerechnet werden.

 
 
 
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