Getreide-Saison 2004/05 mit Startverzögerung
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 08.07.2004


Die witterungsbedingt späte Ernte trifft derzeit auf einen knapp versorgten Markt. Dies ermöglicht den Erntepreisen einen positiven Start.

Marktlage
Seit Mai andauernde kühle Temperaturen und die derzeitigen Niederschläge verzögern die anstehende Ernte. Die Getreidepreise für die alte Ernte sind daher erneut etwas fester geworden in den ersten Julitagen.

Die Landwirtschaft in Deutschland und der gesamten EU-25 rechnet für die kommende Ernte mit deutlich höheren Ernteerträgen als in den vergangenen Jahren. Nach der niedrigen Ernte des Dürresommers 2003 sind die Läger leer. Die Ernteverzögerung hat bereits für einzelne Verarbeiter zu einer engen Versorgungssituation geführt. Davon konnte die Preisentwicklung profitieren.

Die Grafik zeigt am Beispiel des B-Weizens
• den seit Jahren rückläufigen Trend der Getreidepreise,
• den enormen Preisverfall alljährlich während der Erntezeit,
• die auf den Dürresommer 2003 folgende Hausse wie auch
• den Preisrückgang der letzten Wochen als Reaktion auf die hohen
   Ernteerwartungen für 2004.

Auch bei der Futtergerste brachte die knappe Ernte 2003 - nach einem über Jahre anhaltenden negativen Preistrend - erstmals wieder eine ausgedehnte Hausse-Phase.

 

Die anstehende Ernte mit ihren Qualitäten und Preisen wird derzeit rege diskutiert. Konkrete Geschäfte kommen jedoch kaum zustande.
Hinsichtlich der Preise bestehen bei Verkäufern und Käufern zur Zeit recht unterschiedliche Vorstellungen. Während auf der einen Seite mit Hinweis auf den hohen Bedarf des Marktes Startpreise für die neue Ernte über dem Vorjahresniveau genannt werden, werden auf Käuferseite teilweise auch Preise darunter signalisiert. Erste Wintergerste wurde in Süddeutschland mit rund 115 €/t franko Verarbeitungsbetrieb gehandelt. Davon lassen sich Verkaufspreise von 90-95 €/t ab Hof ableiten.
Hinsichtlich der Qualitäten verunsichern vor allem die DON-Werte (Fusariumbefall) alle Marktbeteiligten. Die Getreidemühlen fordern 750 ppb. Da in früheren Erntejahren die Analysewerte teilweise höher ausgefallen sind, zögern die Käufer mit Kontraktabschlüssen, solange nicht bekannt ist, mit welchen Qualitäten gerechnet werden kann.

Fakten

  • Getreide: steigender Verbrauch - sinklende Endbestände
    Die weltweite Erntebilanz entwickelt sich zunehemnd negativer: Der jährliche Bedarf an Getreide liegt weltweit deutlich über der Erzeugung.

    Der internationale Getreiderat (IGC) hat in seiner neuesten Prognose vom 30.06.2004 seine Ernteerwartung für Getreide leicht nach oben korrigiert. Einer Erzeugung von 1.544 Mio.t steht jetzt ein Verbrauch in Höhe von 1.552 Mio.t gegenüber, so daß der IGC einen Rückgang der weltweiten Endbestände auf 247 Mio.t erwartet.

    Das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) hat in seiner letzten Prognose vom 10.06.2004 die Getreide-Ernte 2004/05 wie auch die Verbrauchs-Zahlen leicht nach oben korrigiert, so daß die Endbestände auf das historisch niedrige Niveau von 297 Mio.t schrumpfen dürften.

    Getreide weltweit - Erzeugung und Endbestände
    in Mio.t
     
    IGC
    USDA
    Er-
    zeu-
    gung
    Ver-
    brauch
    End-
    be-
    stände
    Er-
    zeu-
    gung
    Ver-
    brauch
    End-
    be-
    stände
    2000/01
    1.453
    1.476
    397
    1.840
    1.860
    542
    2001/02
    1.482
    1.496
    386
    1.870
    1.900
    514
    2002/02
    1.448
    1.506
    328
    1.817
    1.911
    440
    2003/04
    1.461
    1.528
    261
    1.837
    1.942
    335
    2004/05 - Prognose
    05.2004
    1.537
    1.547
    247
    1.921
    1.961
    297
    06.2004
    1.544
    1.552
    252
    1.925
    1.963
    297
    Quellen: USDA

    Hausse-Signal

  • Produktionssteigerung in der EU-25
    Die neuesten Prognosten für die Ernte in der EU-25 gehen - wie erwartet - von einer deutlich höheren Ernte aus. Der europäischen Getreidehandelsverbandes Coceral wie auch das französische Getreideamt Onic erwarten Produktionszuwächse von bis zu 29 %. Lediglich bei Sommergerste wird ein Produktionsrückgang erwartet. Das USDA hat zuletzt am 10.06.2004 für die EU-25 eine Produktion von 127,5 Mio.t Weizen geschätzt.

    in Mio.t
    Coceral
    Onic
    EU-15
    EU-25
    EU-25
    2004
    2003
    2004
    2003
    2004:
    2003
    2004
    2003
    2004:
    2003
    Weichweizen
    96,7
    82,4
    118,3
    98,3
    +20 %
    119,0
    99,0
    +21 %
    Durum
    9,9
    7,9
    10,0
    7,9
    +25 %
    10,0
    9,0
    +7 %
    Gerste
    49,9
    46,1
    58,2
    54,1
    +8 %
    58,0
    55,0
    +6 %
    darunter Sommergerste
    24,7
    25,8
    29,7
    31,1
    -4 %
    30,0
    31,0
    -5 %
    Roggen
    4,3
    3,2
    8,8
    7,0
    +26 %
    8,0
    7,0
    +16 %
    Mais
    39,2
    30,5
    49,4
    38,4
    +29 %
    51,0
    40,0
    +28 %
    Quelle: Coceral; Onic

    Baisse-Signal

  • Höhere Getreideernte in Deutschland
    Für Deutschland erwartet der europäischen Getreidehandelsverbandes Coceral mit 47,0 Mio.t Getreide eine Produktionsausdehnung um über 19 % (Vj.: 39,4).

    Getreide-Produktion in Deutschland in Mio. t
     
    2004
    2003
    Veränderung 2004:2003
    Weizen
    23,7
    19,3
    +23 %
    Gerste
    11,8
    10,6
    +11 %
    darunter Sommergerste
    3,0
    3,6
    - 17 %
    Roggen
    3,2
    2,3
    +42 %
    Quelle: Coceral, 30.06.2004

    Baisse-Signal

  • Höhere Getreideernte in Frankreich
    In Frankreich erwarten die Getreideerzeuger inen höhere Ernte als im Vorjahr. Nach der Einschätzung des französischen Getreideamtes Onic (Office National Interprofessionnel des Céréales) vom 07.07.2004 wird insgesamt eine Produktionsausdehnung erwartet.

    Getreide-Produktion in Frankreich in Mio. t
     
    2004
    2003
    Veränderung 2004:2003
    Weizen
    36,3
    29,2
    +24 %
    Gerste
    10,9
    10,0
    +9 %
    darunter Sommergerste
    3,6
    4,1
    -14 %
    Durum
    1,8
    1,4
    +30 %
    Quelle: ONIC, 07.07.2004

    Während für Weizen, Gerste (insg) und Durum ein deutlicher Produktionsanstieg erwartet wird, geht ONIC bei der Sommergersten-Produktion von einem Rückgang von 14 % aus.
    Baisse-Signal

  • Import / Export
    Rund 10,8 Mio. t Getreide haben die Länder der EU-15 im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2003/04 aus Drittländern importiert. Demgegenüber standen Exporte von nur 6,3 Mio. t Getreide. Auch die Schwarzmeer-Staaten dürften mit preisgünstigem Getreide aus der neuen Ernte wieder eine größere Rolle am EU-Markt spielen. Der Angebotsdruck dürfte jedoch aufgrund der viel kleineren für den Export zur Verfügung stehenden Menge längst nicht so gravierend ausfallen wie in der Saison 2002/03. Die kommende Saison dürfte für den Export in Drittstaaten aufgrund der derzeit niedrigeren Weltmarktpreise, der osteuropäischen wie auch der gesamten internationalen Konkurrenz schwierig werden.
    Baisse-Signal

Prognose
Die Lagerbestände an Getreide sind in der EU auf den niedrigsten Stand seit Jahren abgescholzen. Die internationalen Bestände sind dramatisch geschrumpft. Aus der Ernte dürften daher zunächst die Läger wieder aufgefüllt werden. Das größere Angebot aus der kommenden Ernte reicht nach meiner persönlichen Einschätzung nicht aus, um den Marktpreis in den kommenden Wochen derart gravierend abstürzen lassen wie in "Normaljahren".

Aufgrund des deutlich höheren Angebotes im EU-Binnenmarkt hängt die Preisentwicklung wieder sehr viel stärker als 2003/04 an den internationalen Preisen und der Entwicklung des Exportgeschäftes. Die internationale Versorgungslage ist weiterhin kritisch zu bewerten, so daß die Märkte sensibel reagieren und für Überraschungen gut sein können.

Nach meiner Einschätzung sollte derzeit die Preisbildung ab Beginn der Ernte abgewartet werden. Bei zu niedrigen Preisangeboten sollte zunächst eine Einlagerung der Ware einkalkuliert werden.

 
 
 

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