Weizen nimmt erneut Anlauf
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 25.09.2003


EU-Weizen zeigt sich recht unbeeindruckt von der Schwäche am Weltmarkt. Die hohen Ernteeinbußen in der EU halten den Preis auf hohem Niveau. Wird der positive Trend andauern?

Marktlage

Für die Erzeuger war es nach dem "Frust" mit den 2003er Erträgen höchst ungewohnt, daß das "traditionelle" preisliche Erntetal in diesem Jahr kaum ausgeprägt und nur von sehr kurzer Dauer war.

An unseren heimischen Märkten hat Weizen nach dem wochenlangen Preisanstieg seit Anfang September eine Pause eingelegt. Die derzeitige träge Geschäftstätigkeit belebt sich erst in den letzten Tagen wieder leicht. Entsprechend hat sich die Stimmung verschlechtert, was auch aus dem leicht abgeflachten Kursverlauf ersichtlich wird.

Nachdem die Ernte in der EU deutlich geringer ausfiel als erwartet, ist inzwischen die Versorgungssituation am Binnenmarkt stärker in den Vordergrund getreten. Die internationale Lage spiel derzeit eine untergeordnete Rolle. Folge: Der EU-Markt hat sich von der internationalen Entwicklung teilweise entkoppelt. Die knappe Marktversorgung in Deutschland und der gesamten EU sorgt für stabile Preise.

Nachdem sich inzwischen immer stärker abzeichnet, daß die weltweite Versorgungssituation zwar knapp, jedoch nicht bedrohlich ist, haben sich die internationalen Märkte abgekühlt. Regen in den USA und in Australien haben die Situation für die Pflanzenbestände entspannt. Die USA rechnen mit einem Anwachsen ihrer Bestände, der US-Export läuft nicht so flott wie erwartet und die großen Importeure wie Ägypten oder die Asian-Staaten richten ihr Interesse verstärkt auf die während der Wintermonate anstehende Ernte in Australien. Die US-Märkte reagierten daraufhin in den letzten Wochen mit Kurseinbrüchen.

Fakten

  • Deutschland: Hervorragende Weizenqualität
    Untersuchungen des Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung (BAGKF) haben bestätigt, daß sich die Ernte 2003 durch überdurchschnittliche, ja letztendlich rekordverdächtige Qualitäten auszeichnet. Der Rekordsommer hat zu hohen und qualitativ hochwertigen Protein- und Klebergehalten geführt.

    Qualität der Weizenernte 2002 und 2003
    Qualitätsmerkmal  
    Ernte 2003
    Ernte 2002
    Spanne
    Ø
    Ø
    Protein % in T
    10,2 - 17,3
    14,0
    13,7
    Sedimentationswert ml
    10 - 76
    53
    49
    Fallzahl Sekunden
    238 - 447
    337
    263
    Backvolumen im Rapid-Mix-Test ml/100 g
    510 - 898
    707
    664
    Quelle: BAGKF, Detmold

    Neben den hervorragenden inneren Qualitäten zeichnet sich die Ernte 2003 durch geringen Besatz der Körner mit Pilzen sowie anderen Verunreinigungen aus. Probleme traten jedoch stärker mit Kleinkörnigkeit und Schmachtkorn auf.
    Geringere qualitätsbedingte Marktdifferenzierung
  • Dollar-notierter Weizen gewinnt höhere Wettbewerbsfähigkeit
    Die Entwicklung des US-Dollarkurses im Verhältnis zum Euro hat zusammen mit den etwas niedrigeren Kursen auf den internationalen Märkten dazu geführt, daß US-Weizen eine bessere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber europäischer Ware gewonnen hat. Die Nachfrage besonders der südeuropäischen Mühlen bleibt bisher hinter den Erwartungen zurück, da sich die dortigen Verarbeiter mit günstigem Qualitätsweizen aus den USA versorgt haben.
    Baisse-Signal

  • Osteuropa inzwischen als Importeur am Markt
    Nachdem die Ukraine und Rußland nach der letzten Ernte bis zum Jahresende 2002 den EU-Markt mit preisgünstigem Weizen regelrecht "überschwemmt" haben, treten beide Länder jetzt als Importeure am Weltmarkt auf. Bereits im August importierte die Ukraine rund 286.000 t Getreide - doppelt so viel wie noch im Juli. Die Weizen-Einfuhren wurden mit knapp 247.000 t auf mehr als das Vierfache des Vormonatsniveaus aufgestockt. Der gesamte Einfuhrbedarf an Brotgetreide wird mittlerweile mit 2 bis 3 Mio.t beziffert. In Rußland sieht die Situation kaum anders aus. Bei Weizen stehen für 2003/04 nur etwa 34-35 Mio. t (2002: 50,6) zur Verfügung. Polen beziffert seinen Importbedarf mit 2 Mio. t Getreide, darunter 1 Mio. t Weizen. (weitere Infos)

    In der laufenden Vermarktungssaison 2003/04 wird osteuropäischer Weizen am EU-Markt keine Rolle spielen. Aufgrund des Versorgungsdefizites in Osteuropa wird mit steigenden Exportaktivitäten seitens der EU gerechnet.
    Baisse-Signal

Prognose
Aufgrund der knappen Versorgungslage in Deutschland wie in der gesamten EU dürften die Preise in der laufenden Saison 2003/04 ein hohes Niveau behaupten. Dennoch sollte man nach meiner Einschätzung vorsichtig bleiben. Es hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, daß in knapp versorgen Märkten statistische Korrekturen kurzfristig zu rapiden Preiskorrekturen nach oben wie nach unten führen können.

Derzeit erlaubt das Niedrigwasser der Flüsse nur ein Drittel der üblichen Auslastung der Schiffe. Die Transportmöglichkeiten sind daher begrenzt und die Transportkosten liegen folglich hoch. Sobald ausreichende Niederschläge die Pegel wieder ansteigen lassen, ist zunächst mit einem Preisknick zu rechnen, der jedoch zeitlich begrenzt bleiben dürfte.

Am Weltmarkt kündigen sich aus meiner Sicht erneut leichte Kursanhebungen an, so daß sich der positive Trend in der EU zunächst wieder verstärken dürfte. Diese Entwicklung ist jedoch saisonal durch den näher rückenden Erntezeitpunkt in Australien und Argentinien begrenzt. Die dortigen Pflanzenbestände versprechen derzeit eine gute bis sehr gute Ernte.

Wer Verkaufstermine noch in diesem Jahr in's Auge gefaßt hat, sollte über einen umgehenden Verkauf in dem derzeit knapp versorgen Markt nachdenken. Möglicherweise könnte sich ein weiterer Verkaufstermin in der zweiten Oktober-Hälfte ebenfalls als günstig erweisen.Spätere Termine sind derzeit schwierig zu prognostizieren und hängen von den auf der Südhalbkugel zu erwartenden Ernten ab.
 
 
 

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