Weizen: Kommt mit dem Regen der Preisknick?
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 29.08.2003


Am 08.08.2003 hieß es an dieser Stelle: "... Unstrittig ist, daß Brotweizen und Futtergetreide ein deutliches Produktionsdefizit ausweisen. ... Nach meiner Einschätzung werden die Kurse bereits in der zweiten Augusthälfte kräftig anziehen. ...". Was dann auch geschah.

Marktlage
Inzwischen koppelt sich der europäische Markt zunehmend von der internationalen Preisentwicklung ab. Während Niederschlage in den USA und in Australien der nach oben gerichteten internationalen Kursentwicklung einen deutlichen Dämpfer verpaßt haben, klettern die Weizenpreise in der EU noch immer langsam noch oben. Gefragt sind alle Weizenqualitäten. Derzeit verharren die Preise an unseren Märkten auf dem erreichten Niveau.

 

Fakten

  • Hohe Ernteeinbußen in Deutschland
    Die Getreideernte ist in Deutschland so schlecht ausgefallen wie seit acht Jahren nicht mehr. Mit Erträgen von insgesamt 39,5 Mio.t Getreide liegt die Ernte 2003 nach Aussage des Bundeslandwirtschaftsministeriums um 8,9 % unter dem Vorjahreswert und sogar 13,1 % unter dem langjährigen Durchschnitt (Ø 1997-2002: 45,5 Mio.t).

    Dabei sind die Ertragseinbußen sehr uneinheitlich über das Bundesgebiet verteilt. Während Schleswig-Holstein mit einem Plus von 7,9 % sogar ein deutlich besseres Ergebnis als letztes Jahr erzielte, gab es im Westen deutliche Ertragsrückgänge, während der Südwesten und Südosten und vor allem der Osten Deutschlands am stärksten unter der Witterung zu leiden hatten. Ein kleiner Lichtblick: Die Qualitäten bei Brotgetreide sind gut.

  • Prognose des IGC
    Die neuste Prognose zum internationalen Weizenmarkt vom 28.08.2003 stammt vom internationalen Getreiderat (IGC). Er schätzt die Weltproduktion 2003/04 (Juli/Juni) auf nur noch 557 Millionen Tonnen Mio. t, befindet sich damit aber noch immer um knapp 8 Mio. t über der Prognose des USDA vom 12.08.2003. Die Endbestände der fünf Hauptexporteure (Argentinien, Australien, Kanada, EU, USA) liegen jetzt mit 35 Mio. t (Vj. 37) bei nur noch 6 % des weltweiten Jahresbedarfs.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    *) Haupt- exporteure
    1999/00
    585
    582
    201
    51
    2000/01
    582
    584
    201
    53
    2001/02
    582
    587
    196
    49
    2002/03
    566
    602
    161
    37
    2003/04 Prognose vom:
    29.04.2003
    590
    602
    149
    44
    28.05.2003
    582
    599
    140
    38
    02.07.2003
    572
    596
    133
    37
    31.07.2003
    568
    591
    135
    39
    28.08.2003
    557
    588
    130
    35
    *) Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: IGC-Prognose

    Warum der IGC wie auch das US-Landwirtschaftsministerium vor dem Hintergrund einer wachsendenWeltbevölkerung von einem rückläufigen internationalen Verbrauch ausgehen ist schwer nachvollziehbar und hat bereits zu kontroversen Diskussionen geführt.
    Hausse-Signal

  • EU-Ernte 2003
    Die Schätzungen gehen von einer Reduzierung der Weizenerträge um rund 7 % aus. Dies führt zusammen mit der erwarteten kleineren Anbaufläche zu einer 9.5 % geringeren Weizenproduktion (ca. 10 Mio. t weniger) verglichen mit dem letzten Jahr. Die am stärksten betroffenen Länder sind Frankreich (-9 % unter dem normalen Durchschnitt), Deutschland (-7 %), Großbritannien (-8 %), Italien (-12 %) und Portugal (-15 %).
    Hausse-Signal

  • Export/Import
    Due Ukraine und auch Rußland treten in der laufenden Saison (wie bereits berichtet) als Käufer am Weltmarkt auf.

    Für die Ukraine rechnet Landwirtschaftsministerium für 2003/04 mit einem Importbedarf in Höhe von 2,5 Mio. t Brotgetreide rechnet. Hohe Auswinterungsverluste lassen die Ernteschätzung für 2003 um rund 63 % (!) auf 7,5 Mio. t Brotgetreide schrumpfen (2002: 20,55). Mittlerweile liegen die aktuellen Weizenpreise in der Ukraine doppelt so hoch wie vor einem Jahr. Laut dem Kiewer Agrarinformationsdienst APK-Inform lagen die Preise für Brotweizen mittlerer Qualität Mitte August bei umgerechnet rund 164-172 Euro/t.

    In Rußland sieht die Situation kaum anders aus. Nachdem im vergangenen Jahr noch 17 Mio  t Getreide exportiert wurden, werden die Ausfuhren in dieser Saison kaum 5 Mio. t erreichen. Mit 70 Mio. t Getreide fällt die Ernte nach Mitteilung des russischen Landwirtschaftsministeriums rund 16,5 Mio. t geringer aus als im Jahr 2002. Das russische Forschungsinstitut für Agrarmarktkonjunktur (Ikar) hat seine Erwartungen in seiner neuesten Schätzung vor allem bei Weizen (2003: 34-35 Mio. t, 2002: 50,6) und Roggen nochmals zurückgenommen und geht jetzt nur noch von 62-68 Mio. t aus. Bei Weizen werden in diesem Jahr nur noch 34-35 Mio. t erwartet (2002: 50,6).

    Kasachstan soll im Wirtschaftsjahr 2003/04 nach neuesten Schätzungen über ein Getreideexportpotenzial in Höhe von 6 bis 7 Mio t verfügen. Neben den guten Aussichten für die diesjährige Ernte dürfte dieses durch die hohen Überhangsvorräte an Getreide (Kasachstan-Schätzung: 4,5 Mio.t, US-Schätzung: 7,8 Mio.t) gewährleisten werden. Ukrainische Getreidehändler zeigen großes Interesse an Importen aus Kasachstan, so daß der Marktdruck für die EU kaum in's Gewicht fallen dürfte.

    Tschechien erwartet in dieser Saison die schlechteste Getreideernte seit 1976. Die Ernteprognose des tschechischen Landwirtschaftsministeriums fällt die Ernte mit rund 5,33 Mio. t Getreide ohne Körnermais rund 4,9 % niedriger aus als erwartet und 13,3 % niedriger als im Vorjahr.

    F ür Kanada wurden die Ernteerwartungen inzwischen erneut nach unten korrigiert. Die Weizenernte wird jetzt nur noch auf 21 Mio. t geschätzt und damit deutlich über den Ergebnissen des Dürrejahres 2002. Die ursprünglichen Erwartungen werden damit jedoch nicht erreicht.

    Hausse-Signal

Prognose
Aufgrund der knappen Grundfutterlage hat Futterweizen inzwischen oftmals das Brotweizenniveau erreicht. Nach meiner Einschätzung besitzt EU-Weizen trotz Aussetzung der Exportlizenzen durch die EU-Kommission noch einen begrenzten Preisspielraum nach oben.

Planen Sie Ihre Verkaufsstrategie sehr sorgfältig! Überhitzte Märkte brechen oftmals ohne Vorwarnung zusammen, führen zu einer Panikstimmung beim Verkauf und lösen in der Folge starke Kursverluste aus. Derzeit erlaubt das Niedrigwasser der Flüsse nur ein Drittel der üblichen Auslastung der Schiffe. Die Transportmöglichkeiten sind daher begrenzt und die Transportkosten liegen folglich hoch. Sobald ausreichende Niederschläge die Pegel wieder ansteigen lassen, ist nach meiner Meinung zunächst mit einem deutlichen Preisknick zurechnen.

Wer Verkaufstermine noch in diesem Jahr in's Auge gefaßt hat, sollte über einen umgehenden Verkauf in dem noch knapp versorgen Markt nachdenken. Möglicherweise könnte sich ein weiterer Verkaufstermin Ende November ebenfalls als günstig erweisen. Spätere Termine sind derzeit schwierig zu prognostizieren und hängen von den auf der Südhalbkugel zu erwartenden Ernten ab.

Da die Märkte derzeit äußerst nervös reagieren, sollte der Markt regelmäßig beobachtet werden, um mit dem Verkauf in kein Preistal zu geraten.
 
 
 
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