Weizen: Immer mehr "Dampf unter dem Kessel"
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 08.08.2003


Der Weizenmarkt bekommt immer mehr "Dampf unter den Kessel". Mit den neuesten Prognosen in der Hand, scheinen sich die Marktbeteiligten zu der Erkenntnis durchzuringen, daß es am internationalen Brotweitenmarkt ungemütlich knapp werden könnte.

Marktlage

Nach wie vor kommt aus der inzwischen fast beendeten Ernte nur äußerst wenig Ware an den Markt. In vielen Teilen Deutschlands werden Handel und Verarbeiter zunehmend nervös und hoffen, daß die Spätdruschgebiete mit besseren Ernten die Marktlage entspannen mögen. Gesuchte Ware zur Anschluß-/Kontraktlieferung konnte daher vereinzelt bereits Aufschläge realisieren. Doch auch diese Signale konnten bisher kaum Ware aus den Lägern locken.

Die Lage am internationalen Markt hat die großen, im Export tätigen Handelshäuser inzwischen zu einer verstärkten Nachfrage für spätere Liefertermine Von dieser Entwicklung konnte inzwischen auch der Kassamarkt profitieren, so daß die Kurse auf 120 €/t franko Seehäfen anziehen konnten.

 

Fakten

  • Prognose des IGC
    Die neuste Prognose zum internationalen Weizenmarkt vom 31,.07.2003 stammt vom internationalen Getreiderat (IGC). Er schätzt die Weltproduktion 2003/04 (Juli/Juni) auf nur noch 568 Millionen Tonnen Mio. t, befindet sich damit aber noch immer um rund 8 Mio. t über der Prognose des USDA vom 11.07.2003. Die Endbestände der fünf Hauptexporteure (Argentinien, Australien, Kanada, EU, USA) liegen jetzt mit 39 Mio. t (Vj. 33) bei nur noch 6,6 % des weltweiten Jahresbedarfs.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    *) Haupt- exporteure
    1999/00
    585
    582
    201
    51
    2000/01
    582
    586
    200
    53
    2001/02
    582
    587
    195
    49
    2002/03
    567
    604
    157
    35
    2003/04 Prognose vom:
    29.04.2003
    590
    602
    149
    44
    28.05.2003
    582
    599
    140
    38
    02.07.2003
    572
    596
    133
    37
    31:07:2003
    568
    591
    135
    39
    *) Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: IGC-Prognose

    Warum der IGC wie auch das US-Landwirtschaftsministerium vor dem Hintergrund einer wachsendenWeltbevölkerung von einem rückläufigen internationalen Verbrauch ausgehen ist schwer nachvollziehbar und hat bereits zu kontroversen Diskussionen geführt.
    Hausse-Signal

  • EU-Ernte 2003
    Es zeichnet sich immer stärker ab, daß die Marktversorgung bei Weizen aus der Ernte 2003 knapp ausfallen wird. Die neuesten Ernteschätzungen wurden zum Teil stark gekappt. Die Weizenernte in Frankreich wird inzwischen mit 30,5 Mio. t um über 6,8 Mio. t kleiner als im Vorjahr (37,3) eingeschätzt. Die deutsche Ernte soll mit 19 Mio. t rund 1,6 Mio. t unter dem Vorjahresergebnis (20,6) liegen.
    Hausse-Signal

  • EU-Exportlizenzen ausgesetzt
    Die EU-Kommission tritt inzwischen bei den Getreideexporten mächtig auf die Bremse. Die geringen Bestände aus der alten Ernte und die Produktion aus der neuen Ernte sollen geschont werden. Die EU hat am 31.07.2003 alle Export-Tender, die sich auf knapp 1 Mio. t belaufen haben sollen, zurückgewiesen. Darüber hinaus sind alle Exportlizenzen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Lizenzen für die Ausfuhr gibt es nur noch außerhalb der Ausschreibungsverfahren.
    Baisse-Signal für die EU / Hausse-Signal für den Weltmarkt

  • Export/Import
    Due Ukraine und auch Rußland treten in der laufenden Saison (wie bereits berichtet) als Käufer am Weltmarkt auf.

    Kasachstan soll im Wirtschaftsjahr 2003/04 nach neuesten Schätzungen über ein Getreideexportpotenzial in Höhe von 6 bis 7 Mio t verfügen. Neben den guten Aussichten für die diesjährige Ernte dürfte dieses durch die hohen Überhangsvorräte an Getreide (Kasachstan-Schätzung: 4,5 Mio.t, US-Schätzung: 7,8 Mio.t) gewährleisten werden. Ukrainische Getreidehändler zeigen großes Interesse an Importen aus Kasachstan, so daß der Marktdruck für die EU kaum in's Gewicht fallen dürfte.

    Tschechien erwartet in dieser Saison die schlechteste Getreideernte seit 1976. Die Ernteprognose des tschechischen Landwirtschaftsministeriums fällt die Ernte mit rund 5,33 Mio. t Getreide ohne Körnermais rund 4,9 % niedriger aus als erwartet und 13,3 % niedriger als im Vorjahr.
    Hausse-Signal

Prognose
Unstrittig ist, daß Brotweizen und Futtergetreide ein deutliches Produktionsdefizit ausweisen. Die internationalen Preise weisen folglich ein deutliches Preissteigerungspotential auf. Vor allem backfähige Weizenqualitäten dürften davon profitieren. Nach meiner Einschätzung werden die Kurse bereits in der zweiten Augusthälfte kräftig anziehen.

Für die Preisentwicklung im EU-Binnenmarkt wird das Exportgeschäft preisbestimmend sein. Hier bleibt die weitere Exportpolitik der EU abzuwarten. Da die "Konkurrenz" aus Osteuropa in dieser Saison als Importeur auftreten wird, steht EU-Weizen international vor allem in Qualitäts- und Preiskonkurrenz zu US- und argentinischem Weizen.

Doch Vorsicht! Unter solchen Rahmenbedingungen heizen sich die Märkte manchmal stärker auf, als es einem stabilen Markt zuträglich ist. Wer Verkaufstermine noch in diesem Jahr in's Auge gefaßt hat, für den könnten sich Verkaufstermine in der zweiten Hälfte August und Ende Oktober als günstig erweisen. Da die Märkte derzeit äußerst nervös reagieren, sollte der Markt regelmäßig beobachtet werden, um mit dem Verkauf in kein Preistal zu geraten.
 
 
 
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