Internationaler Weizen auf Achterbahnfahrt
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 22.10.2002


Der EU-Weizenmarkt verliert zusehends an Fahrt und die Umsätze gehen deutlich zurück. Schwarzmeerweizen und der Kurs des US-Dollars erschweren den Verkauf des EU-Weizens am Weltmarkt.

Am 18.10.2002 hieß es an dieser Stelle "... Das Angebot an guten Brotweizenqualitäten aus den USA, Kanada und Argentinien ist jedoch äußerst knapp. Daher wird sich vorrangig für gute Backqualitäten die feste Tendenz an den internationalen Getreidemärkten fortsetzen. ...".

Marktlage

Diese Entwicklung trat auch ein: Das Interesse der Verarbeiter und Exporteure richtet sich in Deutschland vorrangig auf gute Qualitäts- und E-Weizenqualitäten. Erwartet wurde auch, daß sich die Lage für Brot- und Futterweizen nicht verbessert würde, solange die Witterung noch eine Verschiffung aus den Schwarzmeerhäfen zuläßt. Noch hat die Winter die Häfen nicht in seine Gewalt gebracht, so daß der Angebotsdruck in die EU und an den Weltmarkt anhält.

Derzeit liegen die Marktpreise für prompte Ware franko Hamburg für E-Weizen bei 159,00 €/t, für A-Weizen bei 138,00 €/t, für B-Weizen bei 123 €/t und und für C-Weizen bei 109 €/t. Die schwächeren Qualitäten stehen leicht unter Druck.

Fakten

  • Das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) hat in seiner monatlichen Prognose vom 12.11.2002 die Produktionserwartung für die Weizen-Hauptexporteure (Argentinien, Australien, EU, Kanada) im Vergleich zur September-Prognose erneut um 2,5 Mio. t auf 144,0 Mio. t zurückgenommen aufgrund geringerer Ernten in Australien, Algerien und Bulgarien.

    Offenbar hat das USDA jedoch neue Erkenntnisse über die Situation in China gewonnen. So wurden die chinesischen Endbestände aus 2001/02 deutlich nach oben auf 76,6 Mio. t (Okt-Prognose: 37,3) korrigiert und der Verbrauch 2002/03 auf 106,1 Mio. t zurückgenommen (Okt-Prognose: 110, 2001/02. 108,8). China deckt mit seiner Produktion jedoch nur den Eigenbedarf ab, für den Export steht keine Überschußware zur Verfügung.

    Die Korrekturen führen dazu, daß die erwarteten weltweiten Endbestände seit der Oktober-Prognose mit 131,2 Mio. t jetzt auf 172,5 Mio. t angehoben wurden.

     
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Haupt- exporteure
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    1999/00
    585,93
    164,13
    591,62
    170,11
    26,08
    2000/01
    583,59
    171,58
    590,11
    168,84
    28,26
    2001/02
    578,64
    151,79
    587,92
    159,56
    21,15
    2002/03 Prognose vom:
    12.09.2002
    572,56
    148,80
    598,60
    135,45
    18,38
    11.10.2002
    569,77
    146,50
    598,16
    131,18
    18,98
    12.11.2002
    569,34
    144,00
    595,10
    172,46
    19,07
    Quelle: USDA, Prognose vom 12.11.2002

    Auch die neuesten Prognosen zeigen, daß die Endbestände der Hauptexportländer zusehends schrumpfen.
    Hausse-Signal

  • Auch der Internationale Getreiderat (IGC) erwartet in seiner Prognose vom 30.10.2002 einen Rückgang der weltweiten Endbestände auf 135 Mio. t (2001/02: 165) sowie der Endbestände der fünf Hauptexportuere (Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA) auf 30 Miot (2001/02: 46).



  • Der Verbrauch liegt mittlerweile deutlich über der Produktion, so daß die Endbestände spürbar zurückgehen.
    Hausse-Signal
  • Weltmarkt
    An den internationalen Börsenplätzen und hier insbesonderen an den US-Märkten dauert die tägliche Achterbahnfahrt der Kurse an. Heute rauf, morgen runter mit bis zu 10  US-Dollar/t machen die Situation konfus.

  • Import / Export
    Was den hiesigen Importeur US-dollar-notierter Produkte wie zum Beispiel Sojaschrot freut, bereitet dem Exporteur dagegen Bauchschmerzen. So hat es auch EU-Weizen vor dem Hintergrund der rasant steigenden Stärke des Euro immer schwieriger, per Export das Überschußgebiet EU zu verlassen.

    Der Absatz von deutschem Weizen innerhalb des EU-Binnenmarktes wie auch in Drittländer dümpelt vor sich hin, so daß die Kurse leicht nachgaben. Am Markt für Futtergetreide geht die Nachfrage der Exportindustrie gegen Null.

    Französischer Weizen konnte kürzlich im Export nach Ägypten plaziert werden. Für deutschen Weizen stellt sich die Lage derzeit äußerst problematisch dar, so daß die gerengen Exportmengen, den Markt kaum entlasten können. Der internationale Handel wird derzeit durch Schwarmeerherkünfte sowie russische und polnische Ware dominiert.

    Im Rahmen neuer GATT-Verhandlungen hat sich die EU- Kommission mit den USA und Kanada auf eine neue Einfuhrregelung für Weizen mittlerer und niedriger Qualität und für Gerste geeinigt. Ab 1. Januar 2003 eröffnet die EU ein Einfuhrkontingent für 2.981.600 t Weizen mittlerer und niedriger Qualität zu einem Zollsatz von 12 €/t. Davon werden Kanada 38.000 t und den USA 572.000 t zugeteilt, das übrige Kontingent steht anderen Exportländern offen. Außerhalb des Kontingents beträgt der Zollsatz unverändert 95 €/t. Die Vereinbarung muß jedoch noch von den EU-Mitgliedstaaten gebilligt werden.
    Baisse-Signal

  • Autokauf in Argentinien mit Getreide
    Vor dem Hintergrund des finanzellen Desasters und der wachsenden Bedeutung von Getreide als Währung in Argentinien ermöglichen immer mehr Automobilkonzeren und andere Brachen die Bezahlung mit Getreide. Hierzu zählen unter anderem die Daimler-Chrysler AG, die General Motors Corp. oder die Toyota Motor Corp. Man erhofft von dieser Maßnahme einen Ausweg aus der Absatzflaute. Es ist somit zu erwarten, daß Argentinien mit einer Weizenproduktion von 14 Mio. t für 2002/03 und einem Exportanteil von fast 65-70 % deutlich weniger Getreide auff dem Weltmarkt anbieten wird.
    Hausse-Signal

Prognose
Ich bleibe bei meiner Auffassung, daß die Weizenpreise in der EU wie auch in Deutschland aufgrund des starken Importdrucks aus der Schwarzmeer-Region keine Möglichkeit hatten, auf die internationale Kursentwicklung zu reagieren. Erst wenn der Importdruck aus der Schwarzmeer-Region mit dem einbrechenden Winter nachläßt, hat EU-Weizen Aussicht auf nachhaltige Preisverbesserungen.

Der internationalen Markt wird aus meiner Sicht in der nächsten Zeit seine Achterbahnfahrt fortsetzen, da die Marktbeteiligten noch immer in ihrer Meinung zwischen "überbezahlt" und "mangelhaftem Risikozuschlag" schwanken.

Erfahrungsgemäß kommt es in den Wintermonaten zudem zu Problemen bei der Verschiffung aus den Schwarzmeer-Häfen. Hinzu kommt, daß die Exporte aus dieser Region in den ersten Monaten dieses Wirtschaftsjahres deutlich über den Exportzahlen des Vorjahres lagen. Nach meiner Meinung ist bereits der größte Teil des Angebotes aus dieser Region vermarktet, so daß das Schwarzmeer-Angebot stark rückläufig sein dürfte.

Ich erwarte, daß das EU-Exportgeschäft in den nächsten Wochen wieder in Gang kommt. Dann sollte qualitativ guter bis sehr guter EU-Weizen deutlich steigende Kurse realisieren können, während der Preisspielraum nach oben bei B- und C-Qualitäten deutlich kleiner ausfallen dürfte.

Zu berücksichtigen ist jedoch, daß erfahrungsgemäß die Umsätze in den Monaten Dezember und Januar zurückgehen und folglich die Preise wenig Bewegung erwarten lassen. Ich erwarte, daß der EU-Markt erst wieder im Februar nächsten Jahres aus seinem Winterschlaf erwachen wird.

Derzeit deutet alles auf eine deutliche weltweite Anbauausweitung zur Ernte 2003 insbesondere in den USA hin. Es könnte daher angeraten sein - bei attraktiven Preisgeboten  - Terminkontrakte für die Weizen-Ernte 2003 abzuschließen ganz nach dem Grundsatz:

"Verkaufs-Geschäfte sollten dann abgeschlossen werden,
wenn der Markt eine Hausse-Phase durchläuft!"

Ich erwarte für das Frühjahr/Frühsommer 2003 einen rapiden Preissprung -  je nach Lage der Angebot-Nachfrage-Prognosen -
nach oben oder unten.

 
 
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