Unternehmerfrust am Gerstenmarkt
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 17.07.2002


Während auf den frühen Standorten die Wintergerstenernte bereits weitgehend abgeschlossen werden konnte, hat sie in den späteren Lagen noch nicht richtig begonnen. Die Qualitäten gehen regional weit auseinander, bringen aber zumeist interventionsfähige Hektolitergewichte. Die Erträge der vorjährigen Gerstenernte werden jedoch nicht erreicht, der Minderertrag liegt - mit starken regionalen Schwankungen - bei 10-20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Zudem bescheren die Auszahlungspreise, die für die Erntemonate von Handelsseite genannt werden, den Produzenten äußerstes Mißvergnügen.

Marktlage
Nur mickrige 70 €/t wurden den Gerstenerzeugern als untere Preisspanne zu Beginn der Ernte 2002 geboten. Ein absoluter Allzeit-Tiefstpreis! Vor dem Hintergrund der witterungsbedingten Ernteunterbrechung sowie erster Bedenken hinsichtlich der Erntemenge und -qualität korrigierte sich der Markt inzwischen auf 75 €/t.

In der Spitze liegen die Preisvorstellungen des Agrarhandels bei 90 €/t ab Erzeugerlager in der Strecke - immerhin eine Differenz von 20 €/t, bei der es sich lohnt, vor dem Verkauf Angebote einzuholen. Die Kaufideen für Gerste auf der Großhandelsstufe liegen derzeit bei rund 93 €/t franko Hamburg für die Lieferung ex Ernte 2002.

Fakten

  • Die Kalkulation sieht äußerst kärglich aus: Auch Gerstenflächen mit guten Erträgen erbringen bei beispielsweise 8 t Ertrag und 75 bis 80 €/t lediglich einen Marktwert von 600 bis 640 € je ha. Fazit: Der Erlös wird durch die variablen Kosten einfach "aufgefessen", von den Kosten für Arbeitserledigung, Pachten usw. ganz zu schweigen. Bei solchen Preisen legen auch gute Gerstenproduzenten 'drauf. Daß zudem die Ausgleichszahlungen - allgemein als Subventionen bezeichnet - in der Diskussion stehen, führt zum Verlust der letzten Vergnüglichkeit.
  • Betrachtet man die Notierungen an der europäischen Warenterminbörse LIFFE, London, zu zeigt der Kursverlauf deutlich die Erwartung einer Rekordernte und damit schwächerer Preise für das EU-Gebiet auf. Anderes die Situation am internationalen Markt: Hier wurden die neuesten Prognosen im Vergleich zum Vormonat leicht zurückgenommen, so daß die Kurse seit kurzem deutlich angestiegen sind.



    Ausgedrückt in Euro/dt zeigt sich, das die Preise am EU-Markt mittlerweile deutlich unter den internationalen Kursen liegen.

    Da jedoch international der US-Dollar die übliche Währung des Exportmarktes ist, zeigt erst die Darstellung in US-Dollar (16.07.2002: 1 € = 1,0127 US$), daß sich EU-Gerste für den Export deutlich verteuert hat.



    Beeinträchtigungen beim Export hat EU-Gerste jedoch zunächst nicht zu befürchten, da sich die internationalen Kurse sprunghaft nach oben entwickelt haben und deutlich über den EU-Kursen liegen.

    Dennoch erschwert der schwächelnde US$-Kurs die Verschiffung von europäischer Gerste in Drittländer. An unseren heimischen wie auch an den europäischen Märkten wird der Marktverlauf davon abhängen, inwieweit die EU-Kommission Exporterstattungen für die Verschiffung von Weizen in Drittländer erteilen wird. In dieser Frage herrscht nach wie vor Unklarheit.
  • Noch ist die Preisfindung in vollem Gang. Handel und Verarbeiter sind interessiert an einer Ableitung des Gerstenpreises vom Interventionspreis. Günstig wirkt sich die derzeitige regnerische Witterung aus, die keinen Mengendruck beim Erfassungshandel aufkommen läßt. Das Erntegut wird direkt bis zu den Futtermittelwerken durchgehandelt oder vom Erfassungshandel in Erwartung einer Entspannung der Marktlage eingelagert.

Prognose
Während der Erntezeit ist mit dem saisonüblichen Preisdruck zu rechnen. Aus meiner Sicht sollte die Lage am Weltmarkt wie auch die Situation in der EU als Signal für eine vorläufige Einlagerung gewertet werden. In der zweiten Septemberhälfte sollte der Markt sorgfältig beobachtet werden. Dann steht die Entscheidung an, ob der Verkauf bis Ende November oder erst ab Mitte Februar nächsten Jahres erfolgen soll.

Aktuell
Archiv

Vorhergehende Beiträge
10.07.2002   Mickrige 7 € für neue Gerste?
04.06.2002   Gerste: Marktaussichten zur Ernte 2002/03
08.11.2001   Keine Bewegung am Gerstenmarkt
10.07.2001   Fakten statt Glauben: Gerste hat Potential
26.02.2001   Gerste: Exportaussichten als Marktimpuls
23.11.2000   EU-Futtergerste füllt die Tröge der Welt

Aktuell
Archiv

 

Seitenanfang