Angesichts der Nitrofenfunde in Futtermitteln und Erzeugnissen
deutscher Ökobetriebe ist zu befürchten, daß dieser jüngste Lebensmittelskandal
weit größere Kreise nach sich ziehen könnte.
Der Nitrofen-Skandal geht alle landwirtschaftlichen Erzeuger und
Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse an, denn er stellt
ein typisches Beispiel dafür da, wie einzelne "schwarze
Schafe" den Markt einer ganzen Branche ruinieren können.
Der Sachstand
- Am 23.05.2002 gingen im Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) erste konkrete Hinweise auf
Nitrofen-Rückstände in Futtermitteln ein. Am 24.05.2002 wurde
auch der Öffentlichkeit bekannte, daß 100 t Getreide, die
in einem niedersächsischen Bio-Betrieb verfüttert wurden und aus
Brandenburg stammten mit Nitrofen belastet waren.
- Bei Nitrofen handelt es sich um ein Herbizid, daß in Deutschland
seit 1988 verboten ist und in den anderen EU-Staaten ebenfalls
keine Zulassung besitzt. Nach Angaben der BMVEL ist Nitrofen in
einigen Ländern Osteuropas noch erlaubt. Dieses Herbizid steht
im Verdacht, Krebs erzeugen zu können.
- Erstmalig erkannt wurde die Nitrofen-Belastung am 19. März 2002
im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrolle.
- Inzwischen hat sich herausgestellt, daß es sich um 302 t
Öko-Weizen sowie um rund 248 t Triticale des niedersächsischen
Futtermittelherstellers GS Agri, Schneiderkrug handelt. Neben
dem Erzeugerbetrieb in der brandenburgischen Uckermark sollen
zu den Rohstofflieferanten außerdem ein Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern
sowie zwei Betriebe im Landkreis Lüchow-Dannenberg zählen.
- Mit den aus den betreffenden Getreidepartien hergestellten Futtermitteln
sollen in Niedersachsen 93 Bio-Betriebe beliefert worden
sein.
- Im Zeitraum zwischen November 2001 bis Mai 2002 sollen bei Eigenkontrollen
bei GS-Agri insgesamt 31 Mal das Herbizid Nitrofen nachgewiesen
worden sein. Aufgefallen ist bei den ersten Kontrollen der GS Agri-Unterlagen
offenbar, daß über etliche Partien Weizen sowie Triticale zwar
der Mengen-Eingang registriert wurde, nicht aber der Absender
bzw. der Produzent.
- Bereits im Januar 2002 soll nach Angaben des BMVEL die Bundesanstalt
für Fleischforschung (Baff), Kulmbach, Nitrofenrückstände in Geflügelfleisch
aus ökologischen Betrieben nachgewiesen haben. Ein privater Hersteller
habe die Untersuchung bei der Baff beantragt, um einen Versicherungsfall
zu klären. Im April 2002, seien auch bei Geflügelwurst und Eiern
aus Öko-Betrieben in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern
Rückstände des Stoffes festgestellt worden. Die Baff habe jedoch
keine Meldepflicht gehabt, da der Untersuchungsauftrag von der
Privatwirtschaft gekommen sei.
- Bereits am 2. Mai 2002 soll nach Mitteilung des niedersächsischen
Landwirtschaftsministeriums eine Selbstanzeige im Landkreis Ammerland
erfolgt sein. Ein Hersteller von Putenfleischerzeugnissen soll
Selbstanzeige erstattet haben, weil er Produkte in den Verkehr
gebracht hat, in denen Nitrofen nachgewiesen worden sei. Die Ermittlungen
der Staatsanwaltschaft in dem betreffenden Betrieb führten u.a.
am 24. Mai zur Sicherstellung von 230 t für den Export
bestimmten Putenfleisch.
Konsequenzen
Als politische Konsequenz aus dem Nitrofen-Skandal kündigt das BMVEL
den Aufbau eines verbesserten Kontroll-, Prüf- und Meldesystems
an.
Vor dem Hintergrund der Gefahren, die für die produzierende
Landwirtschaft aus dem neuen Produkthaftungsgesetz und den unterschiedlichen
Qualitätssicherungssystemen der Verarbeiter und Vertreiber
von Nahrungs- und Futtermitteln erwachsen, sollte jeder Landwirt
sehr sorgfältig abwägen,
- die eigene Produktion sorgfältigst zu dokumentieren und
- Waren und Produkte, die auf den Betrieb gelangen oder verkauft
werden, hinsichtlich ihrer Qualitäten abzusichern.
Aktuell
Archiv