Nitrofen geht alle an!
Dipl.-Ing. agr. S. Linker  sabine.linker@llh.hessen.de
Stand: 29.05.2002


Angesichts der Nitrofenfunde in Futtermitteln und Erzeugnissen deutscher Ökobetriebe ist zu befürchten, daß dieser jüngste Lebensmittelskandal weit größere Kreise nach sich ziehen könnte.

Der Nitrofen-Skandal geht alle landwirtschaftlichen Erzeuger und Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse an, denn er stellt ein typisches Beispiel dafür da, wie einzelne "schwarze Schafe" den Markt einer ganzen Branche ruinieren können.

Der Sachstand

  • Am 23.05.2002 gingen im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) erste konkrete Hinweise auf Nitrofen-Rückstände in Futtermitteln ein. Am 24.05.2002 wurde auch der Öffentlichkeit bekannte, daß 100 t Getreide, die in einem niedersächsischen Bio-Betrieb verfüttert wurden und aus Brandenburg stammten mit Nitrofen belastet waren.
  • Bei Nitrofen handelt es sich um ein Herbizid, daß in Deutschland seit 1988 verboten ist und in den anderen EU-Staaten ebenfalls keine Zulassung besitzt. Nach Angaben der BMVEL ist Nitrofen in einigen Ländern Osteuropas noch erlaubt. Dieses Herbizid steht im Verdacht, Krebs erzeugen zu können.
  • Erstmalig erkannt wurde die Nitrofen-Belastung am 19. März 2002 im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrolle.
  • Inzwischen hat sich herausgestellt, daß es sich um 302 t Öko-Weizen sowie um rund 248 t Triticale des niedersächsischen Futtermittelherstellers GS Agri, Schneiderkrug handelt. Neben dem Erzeugerbetrieb in der brandenburgischen Uckermark sollen zu den Rohstofflieferanten außerdem ein Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern sowie zwei Betriebe im Landkreis Lüchow-Dannenberg zählen.
  • Mit den aus den betreffenden Getreidepartien hergestellten Futtermitteln sollen in Niedersachsen 93 Bio-Betriebe beliefert worden sein.
  • Im Zeitraum zwischen November 2001 bis Mai 2002 sollen bei Eigenkontrollen bei GS-Agri insgesamt 31 Mal das Herbizid Nitrofen nachgewiesen worden sein. Aufgefallen ist bei den ersten Kontrollen der GS Agri-Unterlagen offenbar, daß über etliche Partien Weizen sowie Triticale zwar der Mengen-Eingang registriert wurde, nicht aber der Absender bzw. der Produzent.
  • Bereits im Januar 2002 soll nach Angaben des BMVEL die Bundesanstalt für Fleischforschung (Baff), Kulmbach, Nitrofenrückstände in Geflügelfleisch aus ökologischen Betrieben nachgewiesen haben. Ein privater Hersteller habe die Untersuchung bei der Baff beantragt, um einen Versicherungsfall zu klären. Im April 2002, seien auch bei Geflügelwurst und Eiern aus Öko-Betrieben in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern Rückstände des Stoffes festgestellt worden. Die Baff habe jedoch keine Meldepflicht gehabt, da der Untersuchungsauftrag von der Privatwirtschaft gekommen sei.
  • Bereits am 2. Mai 2002 soll nach Mitteilung des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums eine Selbstanzeige im Landkreis Ammerland erfolgt sein. Ein Hersteller von Putenfleischerzeugnissen soll Selbstanzeige erstattet haben, weil er Produkte in den Verkehr gebracht hat, in denen Nitrofen nachgewiesen worden sei. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in dem betreffenden Betrieb führten u.a. am 24. Mai zur Sicherstellung von 230 t für den Export bestimmten Putenfleisch.

Konsequenzen
Als politische Konsequenz aus dem Nitrofen-Skandal kündigt das BMVEL den Aufbau eines verbesserten Kontroll-, Prüf- und Meldesystems an.

Vor dem Hintergrund der Gefahren, die für die produzierende Landwirtschaft aus dem neuen Produkthaftungsgesetz und den unterschiedlichen Qualitätssicherungssystemen der Verarbeiter und Vertreiber von Nahrungs- und Futtermitteln erwachsen, sollte jeder Landwirt sehr sorgfältig abwägen,

  • die eigene Produktion sorgfältigst zu dokumentieren und
  • Waren und Produkte, die auf den Betrieb gelangen oder verkauft werden, hinsichtlich ihrer Qualitäten abzusichern.

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