Am Weizenmarkt gelten die üblichen Regeln: Man versucht die Ernteerwartungen vorwegzunehmen. Kein Wunder, daß der Regen in den USA und in der Schwarzmeerregion die Weizenkurse an den Börsen und am Kassamarkt kräftig abgekühlt hat. Kommt jetzt die Talsohle in Sicht?
Marktlage
Weizenkurse an den Börsen deutlich über der 200 Euro-Marke wie noch Mitte Mai sind zwischenzeitlich Vergangenheit. Seitdem sind die Börsenkurse um 7 % und die Kassamarktpreise um 5 % abgebröckelt.
Denn inzwischen haben sich die Anbau- und Produktionsrisiken weitgehend in Luft aufgelöst. In den USA haben die Farmer die Aussaatverzögerung bei den Frühjahrskulturen wieder aufgeholt und der wochenlang herbeigesehnte Regen hat die Wachstumsbedingugen deutlich verbessert. In der Schwarzmeerregion entwickeln sich die Bestände nach den Niederschlägen der letzten Tage bestens. Und auch in Australien hat Regen die Aussaat- und Wachstumsbedingungen verbessert.
Am Kassamarkt driften die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern zunehmend auseinander. "Restposten" aus der alten Ernte finden bei Mühlen und Futtermittelwerken nur dann Interesse, wenn Preisnachlässe gewährt werden. Viele Weizenproduzenten sind allerdings nicht gewillt, zu den unattraktiveren Preisen zu vermarkten. Händler, Mühlen und Futtermittelhersteller spekulieren auf weitere Preisrückgänge und verschieben zunächst weitere Zukäufe. Der Preisrutsch lähmt daher weitgehend die Geschäftsaktivitäten.
Die Feldbestände entwickeln sich in den meisten Anbaugebieten Deutschlands recht zufriedenstellend. Allerdings sind bei den frühen Getreidekulturen in Regionen mit ausgeprägter Frühjahrstrockenheit Spindelverkürzungen, Kleinkörnigkeit und anderen Klimaauswikungen zu beobachten.
Da Ertragsdepression bisher aber nur regional erwartet werden, lassen der sich abzeichnende frühe Erntebeginn und die noch vorhandenen Lagervorräte keinen dringenden Kaufbedarf bis zum Erntestart aufkommen. Die Preisgebote ex-Ernte (netto) liegen derzeit je nach Geschäftsvolumen und Parität für Eliteweizen bei 180 bis 195 Euro/t, für Qualitätsweizen bei 170 bis 188 Euro/t, für Brotweizen bei 170 bis 183 Euro/t und für Futterweizen bei 160 bis 165 Euro/t.
Prognose
Verpufft sind zunächst einmal die Hausse-Signale der Wetterrisiken. Eine kurzfristige klare Trendwende in eine Hausse-Phase ist daher nach meiner persönlichen Einschätzung zunächst nicht zu erwarten. Allerdings gehe ich davon aus, daß am Weizenmarkt die Talsohle inzwischen erreicht ist und die fundamentalen Daten an den Börsen wie auch am Kassamarkt jetzt neue bewertet werden.
Für eine bevorstehende Stabilisierung der Preise sprechen derzeit folgende Faktoren:
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Schwache US-Winterweizenbestände
Ende letzter Woche Dabei wurden in den USA bei der wöchentlichen Bonitierung der Winterweizenbestände nach wie vor nur 30 % der Bestände mit "gut" bzw. "sehr gut" bonitiert. Doch in Teilen von Texas, Oklahoma und Kansas hat es überdurchschnittlich kräftige Niederschläge gegeben. Damit haben sich vor allem die Ernteerwartungen für die Sommergetreidekulturen verbessert.
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Hohe internationale Nachfrage
Die Importländer haben einen anhaltend hohen bzw. steigenden Weizenbedarf. Die nach wie vor rege Nachfrage - auch an EU-Weizen - stützt das Preisniveau.
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Hitzewelle in West- und Osteuropa
Die Meteorologen prognostizieren für die kommenden Tage eine Hitzewelle in West- und Osteuropa und überdurchschnittlich hohe Temperaturen für die nächsten 14 Tage. Dies dürfte die Abreife beschleunigen und damit die Kornfüllungsphase verkürzen. Bei den frühen Getreidearten dürfte dies Auswirkungen auf die Sortierung und die Qualitäten haben. Sollten die hohen Temperaturen länger andauern, ist auch bei Weizen - in Abhängigkeit von den Standortvoraussetzungen - mit einer vorzeitigen Abreife zu rechnen.
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Möglichkeit eines neuen "El Niño"-Ereignisses
Das australische Wetteramt geht derzeit davon aus, daß eine neues "El Niño"-Ereignis mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 % eintreten könnte.
Ob 2014 aber wirklich ein El Niño-Jahr wird, darüber sind sich die Klimaforscher noch nicht völlig einig. Das letzte Mal trat ein El Niño im Jahr 2009 auf. Nach Meinung vieler Forscher zeigen die derzeitigen Meßwerte, daß sich ein El Niño im Herbst bzw. im kommenden Winter entwickeln könnte. Europa würde durch dieses Klimaphänomen, - wenn überhaupt -, nur indirekt betroffen sein. Doch in Südostasien würde ein El Niño für Trockenheit, in Südamerika indes für starke Niederschläge sorgen.