Ernte 2013: Üppig oder doch knapp?


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 04.07.2013


Grüne Zahlen auf den Anzeigetafeln der Getreidebörsen: Das hat es in den letzten Wochen nur selten gegeben. Seitdem die Zinswende die Aktien-Hausse gestoppt hat und die Staatsschuldenkrisen erneut den Devisenmarkt belasten, gewinnt Getreide an den Börsen wieder an Attraktivität. Zeichnet sich eine Trendwende ab?

 

Marktlage
Rege diskutiert wird derzeit über die Preise am Kassamarkt für die Weizenernte 2013. Verkaufsabschlüsse kommen jedoch kaum zustande, da die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern extrem weit auseinanderklaffen. Bei den Verkäufern läßt die Erinnerung an die Erntepreise bei Brotweizen im vergangenen Jahr mit 230 bis 250 Euro/t netto franke Landhandelslager die aktuell gebotenen Preise als inakzeptabel erscheinen. Die Käufer orientieren sich dagegen an den stark abgefallenen Kursvorgaben der Börsen und an den im Export erzielbaren Preisen.


Prämien "über Matif": Seit April sind die Preise am Kassamarkt um rund 16 % abgerutscht. Lagen die Prämien bei Brotweizen zur Börsen-Notierung in Paris im Mai noch bei zeitweise mehr als 30 Euro/t "über Matif" für prompte Ware, so ist der Abstand zum nächsten Fälligkeitstermin "November 2013" inzwischen auf 7 Euro/t geschrumpft.

Verkauf 2012er Ernte: Auch Lagergetreide ist den Abwärtssog der Ernteerwartungen 2013/14 geraten. Prompter Weizen findet trotz einer erwarteten Ernteverzögerung von rund 2 Wochen nur mit - allerdings geringen - Preiszugeständnissen Käufer. Bei Erzeugerpreisen von 185 bis 215 Euro/t netto für Brotweizen greifen jedoch nur noch die Mühlen zu, denen Anschlußmengen bis zur neuen Ernte fehlen. Futtermittelhersteller sind derzeit nicht am Markt, so daß bei Futtergetreide nur noch selten Geschäfte zustande kommen.

Ex-Ernte-Preise: Die Käufer spekulieren auf weitere Preisrücknahmen und nannten daher teilweise extrem niedrige Abwehrpreise unter 150 Euro/t netto ex-Ernte. Ernstgemeinte Kaufgebote liegen derzeit in der weiten Spanne von 165 bis 190 Euro/t netto je nach Menge und Parität.

 

 

Fakten

  • Welt: Niedrige Lagerbestände trotz Rekordernte
    Immer mehr Investoren an den Börsen haben in den letzten Monaten das Interesse an der Spekulation mit Agrarrohstoffen verloren. Einer der Gründe war, daß sich Knappheitsthesen immer mehr "in Luft aufgelöst" haben und damit die Rendite-Hoffnungen verpufft sind.

    Bei Weizen bleibt die Versorgungsbilanz trotz der Erwartung einer globalen Rekordernte sehr eng. Das US-Landwirtschaftsministerium hat in seiner Juni-Prognose seine Ernteerwartungen um 5 Mio.t auf 696 Mio.t nach unten korrigiert. Da mit einem knapp 3 % höheren internationalen Verbrauch gerechnet wird, fällt der Aufbau der globalen Lagerbestände sehr gering aus. Die weltweiten Endbestände würden damit auf dem niedrigen Stand im Jahr 2010/11 liegen.

    in Mio. t
    Weizen
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    EU-27
    Welt
    Welt
    EU-27
    2007/08
    612,5
    120,1
    614,2
    128,4
    12,4
    2008/09
    683,6
    151,1
    637,1
    168,3
    19,9
    2009/10
    686,6
    138,8
    650,2
    201,5
    16,2
    2010/11
    652,2
    136,0
    653,8
    198,9
    11,8
    2011/12
    697,2
    137,3
    696,9
    199,5
    13,7
    2012/13
    655,6
    132,1
    674,9
    180,2
    9,8
    2013/14 Prognose vom:
    10.05.2013
    701,1
    138,8
    694,9
    186,4
    14,4
    12.06.2013
    695,9
    137,4
    694,5
    181,3
    11,5
    Quelle: USDA


    In den letzten Tagen haben private Analysten ihre Ernteprognosen für Osteuropa und die USA leicht nach unten korrigiert. Das Analystenhaus Lanworth Inc., Chicago/USA hat gestern seine auf Satellitenbildern aufbauende Prognose für die globalen Ernten bei Weizen, Mais, Sojabohnen und anderen Kulturen nach unten korrigiert und geht davon aus, daß die Produktion unter den bisher veröffentlichten offiziellen Zahlen liegen werden. Die Weizenprognose für Rußland wurde um 2 % auf 51,1 Mio.t zurückgenommen. Für die Ukraine wurde die Zahlen um 5 % auf 18,7 Mio.t Weizen reduziert. Die globale Weizenproduktion wird von den Lanworth-Analysten auf 692 Mio.t geschätzt und damit 4 Mio.t niedriger als von US-Landwirtschaftsministerium.

    Der internationale Getreiderat schätzt die Welt-Weizenernte mit 683 Mio.t sogar noch niedriger ein. Dennoch liegen die Ernteerwartungen 2013/14 damit noch immer 4,3 % über der Vorjahresernte.


    Nicht auszuschließen ist, daß die Ernteerwartungen noch weiter sinken werden, denn der Süden Rußlands leidet unter zunehmender Trockenheit, in mehreren Regionen der Ukraine wartet man ebenfalls auf Regen und die witterungsbedingt schlechte Entwicklung der Feldbestände in den USA läßt die Ernteerwartungen privater Analysten wie zum Beispiel Informa Economics Inc., Memphis/USA sinken. Zudem kann infolge der niedrigeren Weizenernte in China mit einem erhöhten Importbedarf gerechnet werden. Inzwischen ist die chinesische Import-Agentur bereits auf Einkaufstour am Weltmarkt.

     Leichte Hausse-Signale, solange die "schlechten" Nachrichten anhalten

 

 

Prognose
Nach der Abwärtskorrektur der Börsenkurse hat der Weizenmarkt jetzt in eine Erholungsphase eingeschwenkt. Ein bunter Strauß an Negativ-Meldungen sorgt für neue Rendite-Hoffnungen bei den Investoren.

Folgende Hausse-Faktoren sorgen für leichten Preisauftrieb:
Zum Monats-/Quartalsbeginn ist die Finanzindustrie wieder zu größeren Risiken bereit.
Die Finanzbranche befürchtet, daß die Notenbanken demnächst ihre Politik des billigen Geldes beenden könnten und damit den Märkten das "Schmiermittel" entzogen wird. Die daraus resultierende Unsicherheit an den Devisen- und Aktienmärkten macht die Agrarrohstoffmärkte wieder attraktiver.
Die Abwärtskorrektur der Ernteprognosen in mehreren Ländern.
Die wieder anspringende internationale Nachfrage und Geschäftsabschlüsse für 2013/14.

Doch auch die Baisse-Faktoren sollten nicht in Vergessenheit geraten:
Die weltweite Getreideernte wird rund 7,6 % höher als im Vorjahr prognostiziert, die globale Weizenernte 4,3 % größer.
Die Getreideernte in Osteuropa hat im Juni begonnen und z.B. Rußland rechnet mit einer um 34 % höheren Getreideernte (95 Mio.t) als im Vorjahr (70,9 Mio.t). Damit steigt auch das für den Exportpotential.
Der Wettbewerbsdruck aus Osteuropa und die damit stärkeren Baisse-Impulse über den Exportmarkt verursachen auch in der EU latenten Abwärtsdruck.

Fazit: Abzuwarten bleibt, ob die aktuellen Hausse-Faktoren stark genug sind, um eine Trendwende zu erzwingen. Doch selbst dann wird nach meiner persönlichen Einschätzung für die EU der Wettbewerb im internationalen Geschäft härter. Eine erneute Hausse-Phase ist nur dann zu erwarten,
• wenn sich weitere hohe Ernteausfälle in wichtigen Exportregionen bestätigen,
• die Erntequalitäten in wichtigen Exportregionen auf den Feld verregnen oder verdorren,
• eine anhaltende Steigerung des Verbrauchs das globale Handelsvolumen ansteigen läßt und
• zudem weitere starke Inflationssignale am Markt zu erwarten wären.

 
 
 
Vorhergehende Beiträge
06.06.2013 Ernte 2013: Baisse-Signale aus Rußland 
18.04.2013 Ernte 2013: Abwärtskorrektur der EU- und US-Ernteprognosen 
22.02.2013 Ernte 2013: Höhere Ernteerwartung versus neue US-Wetterrisiken 
23.01.2013 Ernte 2013: Wetterrisiken stützen Preise 
27.11.2012 Ernte 2013: Trockenstreß in den USA läßt die Kurse steigen 
01.11.2012 Ernte 2013: Ausweitung der Weizenanbaufläche 
   
 
 
 
 

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