Börse: Ende der Wetterspekulation


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 24.05.2013


China, die Konjunkturlokomotive für die Weltwirtschaft, gerät ins Stottern und an den Börsen der Welt rutschen die Zahlen in den roten Bereich. Am Agrarrohstoffmarkt überwiegt die Überzeugung, daß die Ernte durchaus komfortabel ausfallen könnte.

 

Devisen & Konjunktur
Neue Konjunkturzahlen, die auf eine eine unerwartete Abschwächung der Wirtschaft in China hindeuten, brachten gestern die Börsen rund um den Globus ins Trudeln. Die Aktienmärkte reagierten mit teilweise herben Kursverlusten. Nicht nur an den Börsen fragt man sich, ob das Reich der Mitte - angesichts seiner vielen volkswirtschaftlichen Probleme - auf eine erneute Wachstumskrise zusteuert.

In der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt soll der Einkaufsmanagerindex auf 49,6 Punkte im Mai gesunken sein, nachdem der Wert im April noch bei von 50,4 Punkten lag. Das geht aus den noch vorläufigen Zahlen der britischen Großbank HSBC und das Marktforschungsunternehmen Markit Economics hervor, die am Donnerstag bekanntgegeben wurden.

Bereits im Jahr 2012 wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in China nur noch um 7,8 % und damit si gering wie seit 13 Jahren nicht mehr. Daß jetzt das verarbeitende Gewerbe in China erstmals seit sieben Monaten wieder geschrumpft ist, wird daher an den Märkten als Alarmsignal für die gesamte Weltwirtschaft gewertet.

Die USA stoßen am Samstag wieder einmal an die gesetzliche Schuldenobergrenze und die Euro-Zone wartet weiter auf eine Konjunkturerholung. Angesichts der wenig erfreulichen Zukunftsaussichten gab auch der Euro leicht nach. Der Euro-Referenzkurs wurde von der Europäischen Zentralbank (EZB) gestern mit 1,2888 US-Dollar niedriger als am Vortag festgesetzt. Heute im frühen Handel tendiert der Euro wieder erkennbar fester.

 

Energie
Jetzt schlagen die global schwachen Konjunkturerwartungen und die hohen Öl-Lagerbestände auch auf den Ölpreis durch. Für Ernüchterung hatten bereits am Dienstag und Mittwoch die Zahlen des American Petroleum Institutes und des US-Energieministeriums zu den Lagerbeständen in den USA gesorgt. Denn im Vergleich zum Vorjahr sind die US-Rohölbestände um 3,2 % angestiegen.

Ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Juli wurde mit 94,25 Dollar niedriger als am Vortag gehandelt. Nordsee-Rohöl der Sorte Brent zur Juli-Fälligkeit gab gestern zum Handelsschluß auf 102,44 Dollar nach. Heute im frühen Handel zeigt der Preistrend am Ölmarkt weiter abwärts.

 

Agrarrohstoffe
Am 10. Mai hatte das US-Landwirtschaftsministerium mit seiner "üppigen" Ernteschätzung den Preisdruck am Getreidemarkt verschärft. In dieser Woche hat das US-amerikanische Analystenhaus Lanworth Inc. dagegen eine wieder niedrigere Prognose vorgelegt. Für 2013/14 rechnen die Lanworth-Experten nur mit einer globalen Ernte von 694 Mio.t bei Weizen (USDA: 701,1) und 965 Mio.t bei Mai (USDAS: 965,9). Vor allem für Australien, Kanada, die Ukraine und Rußland liegen die Erwartungen unter denen des USDA.

Doch auch in den USA verzögert Regen weiterhin die noch ausstehende Aussaat und in Westeuropa bremst eine Kaltfront das Wachstum der Feldbestände. Dagegen freuen sich in Rumänien die Landwirte über den dringend benötigten Regen, für die Ukraine sind zum Ende der Woche Niederschläge in Sicht und in Australien hat Regen in den letzten Tagen die Aussaatbedingungen verbessert.

An den europäischen Agrarrohstoff-Börsen schloß die Mehrzahl der Futures mit leichten Gewinnen. Das flotte Exportgeschäft sorgt weiterhin für einen festen Kurstrend. Die EU- Weichweizenexporte 2012/13 summieren sich inzwischen auf 17,6 Mio.t und übersteigen damit den Exportstand vor einem Jahr mit damals lediglich 12 Mio.t deutlich.

In Paris standen bei Weizen der November-Termin im Vergleich zum Vortag mit +1,75 Euro/t und der Januar-Termin mit +1,50 Euro/t im Plus. Auch Körnermais zog leicht an. Der Juni-Termin wurde zum Handelsschluß mit +1,25 Euro/t festgesetzt, der November-Termin notierte +0,25 Euro/t zum Vortag. Bei Braugerste gingen der November-Termin und alle Folge-Fälligkeiten angesichts fehlender Umsätze unverändert aus dem Handel. Dagegen wurde der Schlußkurs bei Rapssaat mit Kursverlusten notiert: Der August-Termin schloß mit -0,75 Euro/t, der November-Termin notierte unverändert.

Der Soja-Komplex an den US-Börsen schloß der Handelstag erneut mit kleinen Kursgewinnen. Die Aussaat in den USA kommt nur langsam voran. Bis Pfingsten konnten in den 18 Hauptanbaustaaten der USA nur 24 % der Flächen bestellt werden. Im letzten Jahr waren es zum selben Zeitpunkt bereits 71 % der Flächen (5-Jahres-Ø: 42 %). Auch in dieser Woche dürfte Regen in den US-Sojaanbaugebieten die Aussaat weiter behindern.

 

Ausblick
Die unerwartet schwachen Wirtschaftszahlen aus China haben die Stimmung an den Börsen kräftig abgekühlt. Angesichts der nur zögerlichen Konjunkturerholung in der EU und in den USA richteten sich alle Hoffnungen auf China.

Ernüchterung bestimmt damit das Geschäft nicht nur an den Aktien-, Devisen- und Rohstoffbörsen. Für den heutigen Handelstag erwarte ich persönlich, daß die Ölkurse tendenziell nach unten zeigen und der Euro geringfügig höher gehandelt wird.

Am Agrarrohstoffmarkt haben sich die Wetterspekulationen vorerst in Luft aufgelöst. Derzeit überwiegt die Überzeugung, daß die Ernte durchaus komfortabel ausfallen könnte.

Die Kurse an den Agrarrohstoff-Börsen jenseits des Atlantiks dürften nach meiner persönlichen Einschätzung im roten Bereich liegen, da sogar für die nächsten Tage für viele Regionen Regen und sogar für die "Südlichen Ebenen" zumindest Schauer vorhergesagt werden.
An den europäischen Börsen erwarte ich einen weitgehend stabilen Kursverlauf, da die Ernte 2013 nur geringfügig größer als die Vorjahresernte geschätzt wird.

Am Kassamarkt sorgen die negativen Vorgaben der Börsen und die global höheren Ernteaussichten für Preisdruck. Mühlen und Futtermittelwerke zögern Zukäufe in Erwartung weiterer Preisrücknahmen weiter zurück. Termingeschäfte ex-Ernte kommen inzwischen wieder häufiger zum Abschluß, - trotz der Preisrücknahme zum Beispiel bei Weizen auf 185 bis 198 Euro/t netto. Denn inzwischen erwarten viele Verkäufer bis zum Erntestart keine deutliche Trendwende nach oben mehr.

 
 
 


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