Weizen: Kurs-Fiasko auf dem Börsen-Parkett


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 20.12.2012


Mit tiefroten Zahlen schocken die Weizenkurse an den Börsen heute Käufer und Verkäufer am Kassamarkt. Es ist nicht etwa die anstehende Weihnachtspause, die das Geschäft verdirbt. Es ist ein bunter Mix an Baisse-Faktoren, der die Investoren an den Börsen veranlaßt, zunächst einmal Kasse zu machen.

 

Marktlage
Jetzt ist es soweit: Rote Zahlen auf den Anzeigetafeln der Weizenbörsen zeigen, daß der Kurssturz am Weizenmarkt heute richtig Fahrt aufnimmt. Der Future-Handel zeigt heute mittag Verluste von 5 bis 15 % an den US-Börsen und vergleichsweise bescheidenen Verlusten von 1,5 bis 2,3 % an den EU-Börsen. Die Investoren steigen aus und nehmen Gewinne mit. Im Laufe des Tages dürften sich die Verluste noch weiter vergrößern.

Nicht nur am Weizenmarkt sind "schlechte" Nachrichten inzwischen Mangelware. Bereits seit Monatsbeginn hatte sich der latente Preisdruck an den Börsen verstärkt, allerdings ohne daß dies größere Korrekturen am Kassamarkt ausgelöst hätte.

Heute sind Käufer und Verkäufer am Kassamarkt in Deckung gegangen, nachdem gestern Niederschläge in Brasilien und weitere Regen-Prognosen für Brasilien und die USA zu einem kräftigen Kurssturz geführt hatten.

Inzwischen sind an den Börsen alle Dämme gebrochen. Die seit längerem erwartete Korrektur der Börsenkurse führt teilweise zu Verlusten im zweistelligen Bereich. Denn nicht nur der brasilianische Regen hat die Rendite-Hoffnungen der Investoren hinweg gespült.

Ein bunter Strauß an Negativ-Faktoren verstärkt die Abwärtsbewegung:
• Zum Monats-/Quartals-/Jahresende will die Finanzindustrie ihre Bilanzen "anhübschen".
• Der morgige "Hexensabbat" im Terminhandel verursacht irrationale Kursausschläge.
  [Anm. Hexensabbat: Tage mit einer größeren Anzahl an Verfallterminen an den Terminbörsen.
  Findet nur vier Mal im Jahr statt jeweils am 3. Freitag des 3. Monats eines Quartals.]
• Die sogenannte Fiskalklippe ("fiscal cliff") in den USA sorgt für Kapitalumschichtungen.
• Und außerdem steht die "Weihnachtspause" auch an den Börsen kurz bevor.

Die Negativ-Faktoren haben eines gemeinsam: Sie haben wenig zu tun mit den fundamentalen Daten am Getreidemarkt.
Selbst Hausse-Faktoren wie das flott laufende internationale Exportgeschäft finden daher heute kaum Beachtung.


Das knappe Angebot an neuen „schlechten“ Nachrichten hat die Korrektur-Anfälligkeit am Weizenmarkt in den letzten Wochen immer weiter anwachsen lassen. Denn trotz der defizitären globalen Ernte besteht am Weizenmarkt kein "Mangel", sondern lediglich ein Verteilungsproblem.

 

Prognose
Wetterberichte für die USA prognostizieren für die kommenden Tage Regen und Schnee für die noch immer Dürre-geplagten Anbaugebiete der "Große Ebenen" in der Mitte des Landes und die Anbaugebiete im "Mittleren Westen".


Sollten die Niederschläge ergiebig genug ausfallen und Frosttemperaturen keine Bestandsschäden verursachen, dann würden sich die Anbaubedingungen für die wichtigen US-Anbaugebiete deutlich verbessern.

Damit würde einer der Risikofaktoren auf de Nordhalbkugel deutlich an Hausse-Wirkung einbüßen, da sich die teilweise sehr schwachen US-Weizenbestände wieder weitgehend erholen dürften. (Siehe auch: "Ernte 2013: Trockenstreß in den USA läßt die Kurse steigen" vom 27.11.2012.) An den Börsen würde ergiebiger Regen in den USA ganz klar als Baisse-Signal gewertet. Immerhin sind die USA mit einem Exportvolumen von zuletzt 29 Mio.t Weizen die Nummer 1 unter den Exporteuren am Weltmarkt.

Auch die Ausweitung des Weizen-Anbaus auf der Nordhalbkugel würde dann als Baisse-Signal eine stärkere Wirkung zunächst für die Börsen, später dann auch für den Kassamarkt entfalten. (Siehe auch: "Ernte 2013: Ausweitung der Weizenanbaufläche" vom 01.11.2012.)

Angesichts der engen globalen Versorgungsbilanz kann am Kassamarkt in den kommenden Monaten jedoch kein Angebotsdruck aufkommen. Der Exporthandel läuft für EU-Ware sehr flott, vor allem seitdem das Angebot aus Osteuropa deutlich schrumpft. Auch daß US-Weizen - nach den Preisrückgängen der letzten Wochen - inzwischen auch im internationalen Handel wieder konkurrenzfähig ist, hat den EU-Export nicht weiter berührt. Ägypten, Bangladesch, Marokko u.a. sind derzeit als Käfer am Markt.

Auch die Weizenernte auf der Südhalbkugel bietet derzeit keine Entspannungssignale: Australien, im letzten Jahr die Nummer 2 am Weltmarkt, erwartet mit 22 Mio.t Weizen eine rund 26 % kleinere Weizenernte als im Vorjahr. Für Argentinien sind angesichts weiterer Niederschlagsprognosen nicht nur weitere Abwärtskorrekturen bei den Erntemengen, sondern auch bei der Weizenqualität zu erwarten.

Fazit: Angesicht der Defiziternte 2012/13 wird der Kursverfall an den Börsen bald seinen Boden finden. Dann werden der rege Exporthandel und die schnell schrumpfenden Lagerbestände in Osteuropa, aber auch in der EU wieder in den Fokus rücken. Der weitere Preistrend ist in den kommenden Wochen eng gekoppelt an die Winterwitterung auf der Nordhalbkugel zur Ernte 2013.

 
 
 
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