Börse: Gewinnmitnahmen trotz Wetterrisiken


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 04.12.2012


Positive und negative Konjunkturdaten aus China, Euro-Land und den USA bringen die Börsen in Bewegung. Die Endlos-Story der Euro-Schuldenländer verliert ihre Bedrohung angesichts der Angst vor der "Fiskalischen Klippe" in den USA. Bei den Agrarrohstoff-Börsen wurden zunächst einmal Gewinne mitgenommen.

 

Devisen & Konjunktur
Die Griechenland-Rettung entwickelt sich zu einer immer zäheren Hängepartie, Spanien schlüpft offiziell unter den Euro-Rettungsschirm und erhält für seine maroden Banken eine Finanzspritzen von 39,5 Milliarden Euro, die US-Ratingagentur Moody's senkte die Bonitätsnoten der Euro-Rettungsschirme ESM und EFSF von "Aaa" um eine Stufe auf "Aa1".

Doch das kann den Euro-Kurs derzeit nicht erschüttern. Die für die Bürger der Staatengemeinschaft "schlechten" Nachrichten lassen an den Märkten die Hoffnungen auf "gute Zocker-Chancen" wachsen. Der Investment-Plan ist simpel: Heute auf billige Staatsanleihen setzten, morgen - mit der Sicherheitszusage der Europäische Zentralbank im Rücken - von Kursanstiegen profitieren. Immerhin hat EZB-Chef Draghi erst im Herbst verkündete, die Zentralbank werde, um den Euro zu retten, notfalls auch Staatsanleihen der Krisenländer aufkaufen, und zwar ohne Limit.

Die Ängste im US-Dollar wachsen dagegen von Tag zu Tag. Der Schuldenstand in den USA ist inzwischen auf 16,2 Billionen Dollar angewachsen und die Gespräche über einen Kompromiß für den US-Haushalt stecken fest. Wenn es in den USA zu keiner Einigung im Haushaltsstreit kommt, drohen zum Jahreswechsel drastische Ausgabenkürzungen und höhere Steuern. Man befürchtet, daß dann die USA über die sogenannte Fiskalklippe ("fiscal cliff") in eine Rezession stürzen könnten.

Neben dem anhaltenden US-Haushaltsstreit belasten enttäuschende US-Konjunkturdaten und schwache Frühindikatoren den Dollar. Der Euro profitiert von den Problemen in den USA. Gestern wurde der Euro-Referenzkurs von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,3057 US-Dollar auf dem höchsten Stand seit sechs Wochen festgesetzt. Heute im frühen Handel kann unsere Gemeinschaftswährung weiter leicht zulegen.

 

Energie
Zunächst sorgten bessere Konjunkturaussichten in China für Kursanstiege am Ölmarkt. Dann ließen die enttäuschenden Wirtschaftsdaten aus den USA die Kurse bröckeln. Letztendlich präsentiert sich der Rohölmarkt jedoch derzeit ohne große Bewegung.

Gestern wurde ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Januar mit 89,09 Dollar etwas höher als am Vortag notiert. Nordsee-Rohöl der Sorte Brent zur Januar-Fälligkeit verbilligte sich gestern sogar leicht auf 110,92 Dollar. Heute im frühen Handel zeigt der Kurstrend für beide Öl-Herkünfte leicht schwächere Tendenzen.

 

Agrarrohstoffe
Nachdem viele Agrarrohstoffe am letzten Freitag mit Verlusten ins Wochenende gegangen waren, startete diese Woche gemischt.

Wenig Beachtung fand an den Börsen, daß die USA erstmals seit April wieder Weizen nach Ägypten verkaufen konnten und damit im internationalen Handel wieder wettbewerbsfähig geworden sind. Ägypten hat zur Verschiffung im Januar und Februar insgesamt 400.000 t Weizen gekauft: 280.000 t für (umgerechnet) 258-260 Euro/t aus den USA, 60.000 t für 278 Euro/t aus Frankreich und 60.000 t für 279 Euro/t aus Rumänien - jeweils zuzüglich Frachtkosten.

Wenig Beachtung fand zudem, daß der ukrainische Landwirtschaftsminister Mykola Prysyazhnyuk erneut bestätigt hat, daß das Exportlimit von 5,5 Mio.t Weizen zwar erreicht sei, daß die Ukraine aber dennoch keine Exportrestriktionen verhängen wird.

Beachtung fand statt dessen, daß der Regen in Argentinien noch immer kein Ende nimmt und daß sich die Aussaat damit immer weiter verzögert. Nach offiziellen Zahlen liegt der Stand der Aussaat bei Mais derzeit erst bei 63 % gegenüber 59 % in der letzten Woche (Vorjahr: 73 %). Die Sojaaussaat hat 58 % erreicht (VJ: 66 %) und die Weizenernte wurde erst auf 28 % der Flächen abgeschlossen (VJ: 32 ). Spekulationen, daß die Regierung in Argentinien die Vergabe weiterer Exportlizenzen stoppen könnte, sorgten für Preisauftrieb.

Beachtung fand zudem, daß die Trockenheit in den USA weiter anhält. Im Mittleren Westen und den in der Mitte der USA gelegenen Anbaugebieten der Südlichen und Nördlichen Plains wartet man noch immer auf Regen. Nach der Jahrhundertdürre dieses Sommers ist die Bodenfeuchte noch immer viel zu niedrig.

An den europäischen Agrarrohstoff-Börsen schloß der Börsentag gemischt. In Paris stand der Januar-Termin im Vergleich zum Vortag bei Weizen mit -0,25 Euro/t, der Januar-Termin bei Körnermais mit -0,25 Euro/t und der Februar-Termin bei Rapssaat mit -1,25 Euro/t im Minus. Dagegen wurde der Januar-Termin bei Braugerste mit +1,00 Euro/t in der Gewinnzone notiert. Auch der Soja-Komplex an den US-Börsen lag im Plus.

 

Ausblick
Während an Börsen der Fokus der Investoren auf den Regenprognosen für Südamerika und der trockenheitsbedingt schlechten Entwicklung der Wintergetreidebestände in den USA ruht, sorgen an den Kassamärkten ganz reale Marktfaktoren für Preisauftrieb: der lebhafte Export, der flotte Abbau der Lagerbestände auch in der EU und hierzulande der für die kommenden Monate noch hohe Anschlußbedarf der Mühlen und Futtermittelhersteller.

Ich persönlich erwarte, daß an den Agrarrohstoff-Börsen heute zunächst noch "Kasse gemacht" wird. Aktuell ist der Aufwärtstrend zwar ungebrochen, doch für einen wieder stärkeren Kursauftrieb müßten sich die Wetterrisiken weiter verschärfen.

Am Kassamarkt zeigt der Preistrend weiter nach oben. Ein großer Teil der Ernte wurde bereits während der Erntezeit oder kurz danach verkauft. Mit der eingelagerten Ware spekulieren viele Produzenten auf weitere Preisanstiege, so daß das Angebot am Markt äußerst dünn ausfällt. Nicht nur die Verarbeiter sind als Käufer für Liefertermine ab Januar 2013 am Markt. Auch der Exporthandel signalisiert weiterhin Kaufinteresse.

Doch Vorsicht: Angesichts des hohen Preisniveaus wachsen - sobald neue "schlechte" Nachrichten ausbleiben - auch die Korrektur-Risiken.

 
 
 


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