Ernte 2012: Hausse-Faktor Wetter

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 02.07.2012


Das Wetter hat die Regie bei der Preisbildung übernommen. Nicht nur im sogenannten Getreidegürtel in den USA stressen Dürre und Hitze die Feldbestände. Auch in Rußland fehlt der Regen und die EU-Ernteschätzungen fallen kleiner aus.

Marktlage
Im Mai hatten überdurchschnittliche Temperaturen und Trockenheit die Entwicklung der Pflanzenbestände in der EU beeinträchtigt und für eine weiterhin hohes Preisniveau gesorgt. Jetzt sind es die Abwärtskorrekturen der Ernteerwartungen für die USA und Rußland, die für Preisauftrieb sorgen.

 

Fakten

  • EU: Ernteschätzungen
    Für die EU zeichnet sich auch für die Saison 2012/13 eine sehr enge Versorgungsbilanz ab. Wie knapp die EU-Ernte ausfällt, darüber gehen die Schätzungen derzeit aber noch weit auseinander. Während die EU-Kommission eine EU-Getreideernte von 289 Mio.t prognostiziert (siehe auch: "Niedrigere Weizen-Prognose für Europa", hat der europäische Dachverband Copa-Cogeca, der die europäischen Landwirte und ihre Genossenschaften repräsentiert, seine Ernteerwartungen nochmals nach unten korrigiert. Erwartet wird jetzt eine um 1,4 % kleinere Getreideernte und eine um 3,2 % niedrigere Ölsaatenproduktion als im Vorjahr.

    in Mio. t
    EU-Ernte
    Weichweizen
    Gerste
    Raps
    EU-27
    Deutschl.
    EU-27
    Deutschl.
    EU-27
    Deutschl.
    2009/10
    128,7
    25,1
    60,8
    12,3
    20,6
    6,3
    2010/11
    125,9
    23,9
    52,7
    10,4
    19,8
    5,8
    2011/12
    128,6
    22,7
    51,3
    8,7
    19,0
    3,9
    2012/13 Prognose vom:
    28.06.2012
    125,7
    21,3
    50,9
    9,0
    18,4
    4,5
    Quelle: COPA-COCEGA

    Mit einer Ölsaatenproduktion von lediglich 27,8 Mio.t rechnet Copa-Cogeca auch in diesem Jahr mit einem weiteren Einbruch (3,2 %) der EU-Ölsaatenproduktion. Die Getreideproduktion wurde im Vergleich zur Vormonatsschätzung um 5 Mio.t zurückgenommen und wird mit insgesamt 282,1 Mio.t jetzt um rund 4 Mio.t niedriger als die Ernte 2011 prognostiziert.

     Hausse-Tendenz

 

 

  • USA: Größere Anbaufläche ohne Baisse-Signale
    Das Niederschlagsdefizit entwickelt sich in vielen Anbauregionen der USA seit Wochen immer bedrohlicher. Vor allem im sogenannten "Mais-Gürtel" wachsen jetzt die Sorgen, daß Trockenheit und Hitze die Maisbestände in der jetzt beginnenden Blühphase schädigen.

    Der Anbau-Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums vom letzten Freitag wurde daher an den Märkten weitgehend ignoriert. Die neuen Zahlen bestätigen, daß die US-Farmer die Maisanbaufläche um 5 % ausgeweitet haben, während beim Sojaanbau lediglich mit einem Plus von 1 % gerechnet wird. Die Zahlen weisen zwar die größte Mais-Anbaufläche seit 75 Jahren (!) aus, doch die Dürrespekulation an den US-Börsen überlagerten die Baisse-Signale des US-Anbauberichtes völlig.


    Regen ist in den südlichen und mittleren Anbaugebieten der USA - immerhin die Nummer 1 unter den Weizen- und Mais-Exporteuren am Weltmarkt - noch immer nicht in Sicht.

     Hausse-Tendenz

 

 

  • Osteuropa: Kleinere russische Ernte - sinkende Exporterwartungen
    Trockenheit läßt auch die Ernteerwartungen in Osteuropa sinken. Für Rußland, die Ukraine und Kasachstan sinken die Ernteerwartungen. Analysten erwarten inzwischen kleinere Ernte als im Vorjahr.

    Das russische Landwirtschaftsministerium hat seine Ernteerwartungen letzte Woche auf 85 Mio.t Getreide reduziert, nachdem die bisherigen Prognosezahlen noch von 94 Mio.t ausgegangen waren. Das Marktanalyseinstitut IKAR, Moskau hat am 28.06.2012 seine Ernteprognose für Getreide von zuvor 88,4 Mio.t auf 84,5 Mio.t zurückgenommen. Die russische Weizenernte wird jetzt nur noch auf 48,5 Mio.t geschätzt, nachdem im letzten Jahr noch 56,2 Mio.t geerntet wurden. Damit sinken auch die Exporterwartungen auf 17,5 Mio.t Getreide, nachdem 2011/12 nach vorläufigen Zahlen 27,0 Mio.t exportiert wurden.

    Hinzu kommt, daß die russischen Lagerbestände stärker als erwartet abgebaut werden, so daß die Getreidepreise in Rußland derzeit steigen. Nicht nur der Inlandsmarkt reagiert auf die engere Marktversorgung mit Preissteigerungen. Auch im Export hat sich russischer Brotweizen auf umgerechnet 215 bis 218 Euro/t netto FOB Schwarzmeerhafen verteuert (FOB = "free on board" = frei an Bord des Schiffes geliefert).

     Hausse-Tendenz

 

 

Prognose
Die flotte internationale Nachfrage und die Befürchtung weiterer möglicher Ertragsausfälle in den USA und Rußland haben an den Börsen in der letzten Woche für einen Kursaufschwung gesorgt. Damit sind die enge Angebot-Nachfrage-Situation bei Getreide und Ölsaaten sowie die wachsenden Witterungsrisiken in den USA und Rußland derzeit die dominierenden Marktfaktoren.

Nach meiner persönlichen Einschätzung dürften die Preise am Kassamarkt von dem Aufwärtstrend an den Agrarrohstoffbörsen profitieren. Die fundamentalen Daten, der nachlassende Wettbewerbsdruck aus Osteuropa und damit die Erwartung besserer Exportmöglichkeiten sorgen für Hausse-Signale und Preisaufschläge. Zum Erntestart in Deutschland zeichnet sich damit ein stabiler Preistrend ab.

Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß zeitweilig starke Preisschwankungen aufgrund der hohen Volatilität an den Börsen nicht auszuschließen sind. Immerhin dominiert derzeit das Wetter den Preistrend an den Märkten.

 
 
 
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