Börse: Stimmung kühlt ab

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 21.06.2012


Die Finanzbranche ist enttäuscht: Nicht nur, daß die US-Notenbank ihr Anleiheaufkaufprogramm nur bis zum Jahresende verlängern will. Sie geht zudem davon aus, daß ihre bisherigen Wachstumsprognosen für die USA zu optimistisch waren. Agrarrohstoffe standen angesichts der Wetterrisiken weiter im Plus.

 

Devisen & Konjunktur
Mit den schwachen Konjunkturaussichten für die USA begründete die US-Notenbank FED ihre gestrige Entscheidung, die Konjunkturmaßnahme "Operation Twist" zu verlängern. Bei der "Operation Twist" handelt es sich um ein Aufkaufprogramm, bei der kurzfristige gegen langfristige Anleihen getauscht werden um so u.a. die langfristigen Zinsen zu drücken.

Das Aufkaufprogramm wäre eigentlich Ende Juni ausgelaufen, wird jetzt aber mit weiteren 267 Milliarden Dollar bis zum Jahresende verlängert. Die Quasi-Null-Zinspolitik (Leitzins 0 bis 0,25 %) soll bis mindestens Ende 2014 fortgesetzt werden Der Markt hatte eine deutlich aggressivere geldpolitische Maßnahme erwartet und reagierte entsprechend enttäuscht.

Frustriert reagierte man an den Finanzmärkten auf weitere schlechte Nachrichten, die US-Notenbank bekanntgab: Der Arbeitsmarkt verliere an Schwung, das US-Wirtschaftswachstum verlaufe schwächer als erwartet und zudem belaste die Euro-Schuldenkrise die US-Konjunktur. Für dieses Jahr erwartet die FED beim Bruttoinlandsprodukt lediglich ein Plus von 1,9 bis 2,4 %. Im April war man noch von 2,4 bis 2,9 % ausgegangen.

Die düsteren Aussichten für die USA sorgten beim Euro für Kursauftrieb. Gestern wurde der Euro-Referenzkurs von der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 1,2704 US-Dollar erneut höher als am Vortag festgesetzt. Heute Morgen herrscht an den Märkten Ernüchterung. Im frühen Handel gibt der Euro leicht nach.

 

Energie
Nicht nur angesichts der schwachen Konjunkturaussichten für die USA, immerhin die grö0te Volkswirtschaft der Welt, gerieten auch die Ölpreise gestern stark unter Druck. Auch der überraschende Anstieg der Ölbestände in den USA. Mit 387,3 Mio. Barrel lagen die US-Ölbestände 6,5 % über den Vorräten ein Jahr zuvor.

Die Ölmärkte legten angesichts der Nachrichtenlage gestern den Rückwärtsgang ein. Ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Juli wurde gestern mit 81,80 Dollar auf den niedrigsten Stand seit 8 Monaten notiert. Nordsee-Rohöl der Sorte Brent zur Juli-Fälligkeit gab gestern auf 92,69 Dollar weiter nach.

Heute im frühen Handel tendieren die Ölpreise seitwärts.

 

Agrarrohstoffe
Nach der Preisrallye an den Agrarrohstoffbörsen am Anfang der Woche, haben die schwachen Konjunkturnachrichten auch hier für Ernüchterung gesorgt. Dennoch bestimmten die Wetterspekulationen auch gestern den Handel.

Wie bereits gestern berichtet, sind es die Wetterrisiken rund um den Globus, die für Hausse-Signale sorgen anhaltende Trockenheit im Mittleren Westen und Süden der USA, Dauerregen in den wichtigen Anbaugebieten Kanadas, anhaltende Hitze in der Ukraine und in den südlichen Anbaugebieten Rußlands, eine Hitzewelle im Norden Chinas, aktuell gute Anbaubedingungen in Australien, jedoch zugleich Langzeitprognosen, die auf den Aufbau eines neuen El Niño-Wetterphänomen im pazifischen Ozeans hindeuten (siehe auch Artikel "Weizen: "Regen macht Getreide" ..." vom 14.06.2012).

Ergiebiger Regen hat dagegen die Ernteerwartungen in Europa deutlich verbessert. Die niedrigere Ernteprognose für Rußland (siehe Vortagesbericht) hat die Einschätzung der Marktbeteiligen lediglich bestätigt. Die Erwartung eines geringeren Export-Potentials wurde durch die höheren Ernteerwartungen für die EU überdeckt.

An den europäischen Agrarrohstoff-Börsen konnten die Getreide-, wie auch die Raps-Futures weitere leichte Gewinne realisieren. In Paris stand der November -Termin bei Weizen mit +´2,25 Euro/t, bei Rapssaat der Front-Termin mit +1,00 Euro/t, bei Mais mit +0,25 Euro/t im Plus, während Braugerste um -1,25 Euro/t nachgab.
Auch die Börsen in den USA setzten gestern ihren Kursanstieg fort.

Nachdem für die kommenden Tage für die USA und wichtige Anbauregionen Osteuropas Niederschläge prognostiziert werden, haben sich die Wetterspekulationen an den Börsen deutlich abgekühlt.

 

Ausblick
Die US-Notenbank hat dem Finanzmarkt gestern einen Dämpfer verpaßt. Nachdem auch die FED keine positiven Nachrichten zur Konjunkturentwicklung liefern konnte, bestimmen heute im frühen Handel wieder die altbekannten Probleme und Krisen die Märkte.

Auch an der Wetterfront schwächt sich das Spekulationspotential ab. Die Ernteerwartungen haben sich für Europa deutlich verbessert. Für die nächsten Tage werden für den Mittleren Westen der USA zwar Schauer, jedoch kein flächendeckender Regen prognostiziert. Wie ergiebig und vor allen Dingen wie großräumig die Niederschläge ausfallen werden, bleibt abzuwarten. Für die Ukraine und den Süden Rußlands wird für die kommenden Tage trockenes und heißes Wetter erwartet, während für die Wolga-Region und für die Anbaugebiete im Osten Kasachstans und Sibiriens Niederschläge prognostiziert werden.

An den Zapfsäulen ist der Kursrutsch am Ölmarkt bisher noch nicht angekommen. Nach meiner persönlichen Einschätzung bleibt der latente Preisdruck an den Ölbörsen vorerst aktiv. Auch wenn die Preisgestaltung im Endkundengeschäft weiterhin Rätsel aufgibt, so dürften Diesel, Heizöl und andere Derivate zunächst preisgünstiger werden.
Wer seine Diesel- und Heizöltanks auffüllen möchte, sollte daher in den kommenden Tagen den Markt aufmerksam beobachten. Ich persönlich gehe davon aus, daß sich zumindest bis zum Ende der Woche vergleichsweise günstige Einkaufsgelegenheiten entwickeln könnten.

 
 
 


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