Weizen: "Regen macht Getreide" ...

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 12.06.2012


... und sorgt für Preisdruck. Dieser einfachen Börsenweisheit folgten in den letzten Tagen die Kurse für Weizen und anderes Getreide. Die Schwäche an den Börsen färbte zuletzt auch auf die Kassamarktpreise ab. Doch jetzt deuten sich neue Wetterkapriolen an.

 

Marktlage
Trockenheit in der EU, den USA, Rußland und Australien hat im Mai noch die Angst vor Ernteeinbußen geschürt und für Preisauftrieb gesorgt. Doch aktuell kühlen die Hausse-Signale kräftig ab. Regen sorgt in vielen wichtigen Anbauregionen der Welt für bessere Ernteerwartungen.

Noch immer sind sich die Analysten zwar einig: Die Welt-Weizenernte 2012/13 wird niedriger ausfallen als bisher erwartet, während der Verbrauch steigt und zugleich die globalen Lagervorräte weiter schrumpfen. Auch für die EU wird die niedrigste Weizenernte seit der Hausse-Phase 2007/08 prognostiziert.

Dennoch hat der November-Termin an der Warenterminbörse MATIF, Paris seit Anfang Mai um über 5 % nachgegeben. Auch auf der anderen Seite des Atlantiks ging es bei den Börsenkursen beispielsweise an der Warenterminbörse CBOT, Chicago/USA um 2,8 % (Futterweizenqualität) oder an der Warenterminbörse KCBT, Kansas/USA um 2,3 % (Brotweizenqualität) abwärts.

Blicken wir zurück: In der EU und Zentraleuropa wuchs das Niederschlagsdefizit im Mai (Grafik: rote Flächen) von Woche zu Woche und sorgte damit für Preisauftrieb. Doch seit Anfang Juli hat Regen nicht nur die Wachstumsbedingungen in der EU deutlich verbessert. An den Börsen haben die Niederschläge das Spekulationspotential hinweg gespült, so daß inzwischen auch die Kassamärkte in den Sog schwächerer Kurse geraten.

Für zusätzlichen Preisdruck sorgt, daß das französische Analystenhaus Tallage am 13.06.2012 seine Weichweizen-Ernteprognose für die EU-27 auf 124,2 Mio.t angehoben hat, nachdem man zuvor von 122,7 Mio.t ausgegangen war. Doch auch die höhere Ernteerwartung läge noch immer 4 % über dem Ergebnis von 2011.

Auch in den USA hat Regen die Situation in den trockenen Anbauregionen im Norden etwas entspannt. In den frühen Druschgebieten im Süden der USA ist die Winterweizenernte bereits weitgehend beendet, während sich die Winterweizenbestände in den nördlichen Gebieten noch in der Wachstumsphase befinden. Derzeit ist das Niederschlagsdefizit in vielen Regionen noch immer groß. Doch für die kommenden Tage sind weitere Niederschläge prognostiziert.


Auch am Kassamarkt ist das Hausse-Potential derzeit verpufft. Bei schwachen Umsätzen tendieren die Erzeugerpreise überwiegend seitwärts. Niederschläge und die gute Entwicklung der Feldbestände haben vereinzelt leichte Preiskorrekturen nach unten ausgelöst. Die Mühlenbetriebe und Futtermittelverarbeiter haben sich in Erwartung weiterer Preisrückgänge weitgehend vom Markt zurückgezogen. Nur sporadisch besteht aktuell Interesse an Restpartien.

Da jedoch auch das Angebot schwach bleibt, kommt kein Verkaufsdruck auf. Ex-Ernte werden derzeit Brotweizenpreise von 185-195 Euro/t netto besprochen. Allen Marktbeteiligten ist bewußt, daß die globale Ernte defizitär ausfallen dürfte und daß in der EU wahrscheinlich die niedrigste Ernte seit fünf Jahren zu erwarten ist.

 

Prognose
Weltweit günstigeres Anbauwetter hat die Hausse-Erwartungen an den Börsen abgekühlt. Die Angst vor einer langsameren Entwicklung der Welt-Konjunktur und damit die Befürchtung, daß die Importnachfrage kleiner als erwartet ausfallen könnte, belasten die Preisentwicklung. Doch noch immer läuft das internationale Weizengeschäft recht flott: Algerien, China, Japan, Südkorea oder Taiwan sind nur einige Länder, die in den letzten Tagen Weizen am Weltmarkt zugekauft haben. Von dem schwächeren Euro-Kurs der letzten Wochen konnten auch die EU-Exporteure profitieren.

Nach meiner persönlichen Einschätzung hat der Regen an der generell engen Versorgungssituation nichts geändert. Wenige Wochen vor dem Erntebeginn bleibt der Einfluß auf die zu erwartende Erntemenge gering. Die Preise dürften daher auf vergleichsweise hohem Niveau bleiben.

Neue "schlechte Nachrichten" könnten den Kurstrend sogar wieder stärker nach oben drehen lassen. Möglicherweise sorgt das Wetter auf der Südhalbkugel in den kommenden Monaten für neue Preiskapriolen. Denn inzwischen sorgen Hinweise mehrerer Wetterämter für Aufmerksamkeit: Klimamodelle deuten nach Aussage der Wissenschaftler darauf hin, daß sich in der zweiten Jahreshälfte ein neues El Niño-Wetterphänomen im pazifischen Ozeans aufbauen könnte. Für Australien - inzwischen auf Platz 2 unter den Exporteuren aufgerückt - könnte El Niño erneut eine ausgeprägte Trockenheit bringen. Auch auf Asien, Süd- und Nordamerika hätte El Niño negativen Einfluß.

Damit dürfte das Wetter ürfte der entscheidende Marktfaktor für die weitere Preisentwicklung bleiben.

 
 
 
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