Börse am Vortag: "Fundamentals" im Fokus

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 16.08.2011


Während Politik und Wirtschaft die Parole "Ruhe bewahren" beschwörerisch hochhalten, tickt die Schuldenuhr in vielen Ländern immer schneller. Doch an den Märkten gewöhnt man sich langsam an diesen "Störfaktor". Die Börsenkurse erholen sich langsam und Agrarrohstoffe profitieren von der Unsicherheit.

 

Devisen & Konjunktur
Die Euro-Wackelkandidaten und die daraus entstehenden Probleme für die Euro-Zone sind bekannt. Inzwischen sind die neuen schwachen US-Konjunkturdaten wieder in den Vordergrund gerückt. Trotz besserer Zahlen zum Einzelhandelsumsatz in den USA zeigen die schwachen US-Außenhandelszahlen und die noch immer hohen Arbeitslosenzahlen, daß die USA aus ihrer Konjunkturdelle so schnell nicht heraus kommen.

Nach offiziellen Daten lag die US-Arbeitslosenquote im Juli beinahe unverändert nbei 9,1 %. Die inoffizielle Arbeitslosenquote, die auch die - nach Ansicht der Behörden - statistisch nicht vermittelbaren Amerikaner umfaßt, liegt bei knapp 20 %. Bei einer Einwohnerzahl von 311 Millionen Menschen explodierte die Zahl der Bezieher von Lebensmittelkarten zuletzt auf 45 Millionen Menschen. Das bedeutet auch, daß die die Konsumfähigkeit in den USA schwächelt. Mit Blick auf die US-Wirtschaft bereitet dies Sorgen, da der Konsum in den USA rund 65 % der amerikanischen Konjunktur ausmacht.

Der US-Dollar bleibt angesichts dieser schwachen Vorgaben unter Druck, zumal sich heute neue Hoffnungen die Anleger an das Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy knüpfen. Man hofft auf weitere Vereinbarungen zur Krisenentspannung bzw. zur Lösung der Schuldenkrise.

Der Euro-Referenzkurs von der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde gestern mit 1,4309 US-Dollar erneut höher als am Vortag festgesetzt. Heute im frühen Handel wird der Euro wieder oberhalb von 1,44 US-Dollar gehandelt.

 

Energie
Die schwachen Konjunkturzahlen aus den USA und die Bemühungen Chinas, das inländische Wirtschaftswachstum zu bremsen, bestärken die Befürchtung, daß die Rohöl-Nachfrage geringer als erwartet ausfallen könnte. Nachdem sich die Rohölkurse gestern zunächst dem Entspannungstrend an den Börsen anschlossen, geriete die Kurs seit dem späten Handel unter Druck.

Zum gestrigen Handelsschluß wurde ein Barrel (1 Faß = 159 Liter) der US-amerikanischen Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im September mit 87,88 Dollar höher als am Vortag notiert. Nordsee-Rohöl der Sorte Brent wurde mit 108,82 Dollar ebenfalls höher festgesetzt.

 

Agrarrohstoffe
Weizen, Rapssaat & Co setzten gestern an den Börsen wie erwartet ihren Aufwärtstrend unbeirrt fort. Bei vergleichsweise geringen Umsätzen verlief der Börsenhandel in sehr ruhigen Bahnen. Die Aufregung an den Agrarrohstoffbörsen hat sich gelegt und der Einsicht Platz gemacht, daß die Märkte in den kommenden Monaten vorerst knapp versorgt bleiben und viele Importländer derzeit flott und stetig Ware am internationalen Markt zukaufen. .

Der Front-Termin bei Paris-Weizen an der Warenterminbörse MSTIF erzielte ein weiteres Plus von +0,75 Euro/t zum Vortag. Damit nimmt der November-Termin wieder Anlauf auf die 200 Euro-Marke. Die späteren Termine ab August 2012 mußten jedoch Einbußen in Kauf nehmen.

Paris-Mais erzielte für den November-Termin erneut +0,50 Euro/t. Die späteren Termine konnten deutliche Gewinne erzielen. Paris-Raps notierte am Handelsschluß für den November-Termin +4,50 Euro/t im Plus und auch für alle späteren Termine deutlich höher als am Vortag.
Bei Paris-Braugerste wurde die Schlußnotierung für die November-Fälligkeit im Vergleich zum Vortag nochmals +2,00 Euro/t höher festgesetzt, während die späteren Termine heterogen blieben.

Auch an den US-Getreide-Märkten und den US-Soja-Märkten setzte sich der positive Kurstrend ebenfalls fort.

 

Ausblick
An den Börsen hat man es zunehmend satt, sich mit dem "Störfaktor" Schuldenkrise auseinander setzen zu müssen. Man will Geschäfte machen und - das liegt in der Natur der Sache - Gewinne machen. Angesichts wenig erfreulicher US-Konjunkturnachrichten und chinesischer Inflations-Bremsversuche richten sich die Hoffnungen jetzt wieder verstärkt auf den Euro-Raum. Da hinter der Euro-Schuldenkrise letztendlich Ängste um Banken und Wirtschaft stehen, hofft man, daß sich aus dem heutigen deutsch-französischen Treffen neue Lösungsansätze entwickeln.

Agrarrohstoffe gewinnen bei den Investoren als sichere "Anlagealternative" angesichts defizitärer Ernten, rückläufiger Lagerbestände und flotter Importnachfrage an Attraktivität. Für den heutigen Handelstag an den Agrarrohstoff-Börsen erwarte ich persönlich, daß der Handel erneut sehr ruhig bleibt. Zunächst wartet man die Ergebnisse des deutsch-französischen Treffens ab.

Weizen und Mais dürften ihren Aufwärtstrend fortsetzen. Den Erholungstrend dürfte eine ganze Reihe von Faktoren stützen:
• die flotte Exportnachfrage,
• die schlechtere Bestandsentwicklung bei US-Sommerweizen,
• die Zweifel an der US-Prognose zur Mais-Bestandsentwicklung in einigen US- Anbaugebieten,
• die Qualitätssorgen infolge der regnerischen Witterung in den nördlichen Erntegebieten der EU und
• das unbeständigere Wetter in Osteuropa.

Rapssaat hat nach meiner persönlichen Einschätzung an den EU-Börsen nur das Potential für geringe Kursgewinne. Auch beim Soja-Komplex dürften im heutigen Handel die Pluszeichen überwiegen.

 
 
 


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