Weizen: Jahresendrallye

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 02.12.2010


Alle Jahre wird in den Medien auf eine angebliche Jahresendrallye hingewiesen, die jetzt starten würde. In den meisten Jahren entpuppt sich eine solche Prognose im nachherein als purer Quatsch. Doch in diesem Jahr könnte das ganz anders aussehen.

Marktlage
Weizen kann weiter von der Unsicherheit an den Devisenmärkten profitieren. Trotz der noch immer schwachen Wirtschaftsdaten aus den USA ist es noch immer der Euro, der trotz diverser Rettungspakete noch immer kränkelt. Damit stehen auch Agrarrohstoffe bei den Investoren weiter im Focus - zumal "schlechte Nachrichten" aus Australien, Kanada oder den USA (siehe unter Fakten) den Renditehunger nähren..

Seit Jahresmitte ist der Preis für Brotweizen um rund 70 % gestiegen - sowohl am Kassamarkt wie auch an den Börsen. Die nach wie vor komfortablen globalen Lagerbestände aus den zwei vorangegangenen Rekordernten finden bei den Marktbeteiligten kaum Beachtung.

Allerdings stellt sich inzwischen auch die Frage, wieviel Weizen in welcher Qualität tatsächlich noch in den Lagerhäusern liegt. Nicht auszuschließen ist, daß die Vorräte an unserem heimischen Markt kleiner sind, als bisher erwartet.

Die Großhandelspreise an den Produktenbörsen und auch die Erzeugerpreise kletterten angesichts der preistreibenden Vorgaben vom internationalen und heimischen Markt weiter nach oben. Mit 190 bis 224 Euro/t netto ab Hof wird Brotweizen in marktnahen Gebieten Deutschlands inzwischen in der Spitze auf Börsenniveau bezahlt.

An der Warenterminbörse in Paris notierte der Front-Termine Januar gestern mit 224,00 Euro/t. während der nächste Ernte-Termin August 2011 auf 198,00 Euro/t nachgab.

Kursgewinne verzeichneten auch die US-amerikanischen Warenterminmärkten, nachdem die Bodenverhältnisse in den Hard-Red-Winter-Weizengebieten noch immer zu trocken sind.

 

Fakten

  • USA: Ausweitung der Anbaufläche zur Ernte 2011
    In den USA, der Nr.1 unter den Exporteuren, hatte es nach wochenlanger Trockenheit in einigen wichtigen Anbaugebieten zwar etwas geregnet. In weiten Gebieten ist es jedoch noch immer zu trocken. Befürchtungen über mögliche Schäden in den Beständen sind damit nicht ausgeräumt. Obwohl private Analysten eine Ausweitung der US-Weizenanbaufläche zur Ernte 2011 um 4,7 % prognostizieren. Abzuwarten bleibt die weitere Bestandsentwicklung, zumal in vielen Regionen auch in den USA der Winter Einzug gehalten hat.
    Baisse-Tendenz

 

  • EU: 2,2% größere Anbaufläche zur Ernte 2011
    Auch in der EU, dem zweitgrößten Exporteur, hat der Preisanstieg den Weizenanbau attraktiver gemacht. Nach Einschätzung des französischen Analysehauses Strategie Grains wurde die Anbaufläche in der EU-27 um 500.000 ha bzw. 2,2 % auf 23,4 Mio.ha ausgeweitet. Ob sich diese Anbauerwartungen bestätigen, bleibt angesichts von Aussaat- und Witterungsproblemen vielen Anbaugebieten der EU abzuwarten.
    Baisse-Tendenz

 

  • Kanada: Stärkerer Winterweizenanbau
    Für Kanada, die Nummer 3 am Weltmarkt, wird ein deutlicher Anstieg des Winterweizen-Anbaus prognostiziert. Normalerweise wird Winterweizen in Kanada nur in äußerst geringem Umfang angebaut. Doch in dieser Saison haben die Farmer teilweise vermehrt Wintergetreide ausgesät, um über die Wasseraufnahme der Bestände eine Verbesserung der noch immer ungewöhnlich nassen Bodenverhältnisse zu erzielen.
    Tendenz erst nach Beendigung der Winterzeit absehbar

 

  • Australien: Wochenlager Regen sorgt für Qualitätsprobleme
    In Australien, dem viertgrößten Exporteur, kommt die Ernte im Osten nicht richtig voran. Die Ernte hat bereits im Oktober begonnen und wäre in Normaljahren im Januar abgeschlossen. Doch seit Anfang November unterbricht Immer wieder Starkregen den Drusch. Es gibt erste Meldungen, daß in einigen Regionen des Ostens große Teile der Weizenernte bereits keine Backqualität mehr aufweisen. Inzwischen ist absehbar, daß die Exportaussichten für australischen Backweizen wohl nach unten korrigiert werden müssen.
    Hausse-Tendenz

 

Prognose
Weizen nimmt Anlauf auf eine kleine Jahresendrallye. Die schlechten Meldungen aus Australien haben bereits in den letzten Tagen für Preisauftrieb gesorgt. Für die kommenden 10 Tage werden für "Down under" weitere Niederschläge prognostiziert. Die Unsicherheit über die für den Export zur Verfügung stehenden australischen Exportmengen dürften daher auch in den nächsten Tagen für steigende Kurse an den Warenterminbörsen sorgen.

Nicht nur die US-Exporteure profitieren von dem Exportstop Rußlands und den Exportrestriktionen der Ukraine. Auch EU-Ware ist am Weltmarkt rege nachgefragt. Bisher liegen die EU-Weizenexporte rund 36 % über dem Vorjahresstand. Damit schmelzen die Lagerbestände der wichtigen Hauptexporteure schneller ab als bisher erwartet.

Weiterhin herrscht Uneinigkeit darüber, wieviel Weizen hierzulande wirklich noch in Produzentenhand liegt und für den freien Markt verfügbar ist. Sowohl in die Verwertungsrichtungen Futtermittel, Energie und Export dürfte mehr Ware geflossen sein.

Die neuen "schlechten" Nachrichten sorgen somit auch am Kassamärkten erneut für Risikoaufschläge. Die zögerliche Abgabebereitschaft der Landwirte, die - in der Hoffnung auf weitere Kursanstiege - ihre Verkäufe hinauszögern, verstärkt den Hausse-Trend.

Fazit: Vorerst sind die weiteren Wetteraussichten während der Ernte auf der Südhalbkugel preisbestimmend. Auch die Ernteerwartungen für die nächste Ernte 2011/12 entfalten bereits Wirkung. Auf der Nordhalbkugel hat der Winter jedoch erst begonnen. Offen bleibt vorerst, welche Auswirkungen der Winter auf die Feldbestände auf der Nordhalbkugel haben wird.

 
 
 
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