Weizen: Preissprung an der Börse

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 27.10.2010


Mit einem Preissprung reagierten die Börsen auf den vergleichsweise schlechten Saatenstand in den USA und die Ankündigung Rußands, das Exportverbot bis zum Anfang Juli 2011 aufrecht zu erhalten.

Marktlage
Trotz eines vergleichsweise ruhigen Geschäftes erzielt Weizen weiterhin hohe Preise am Kassamarkt. Die Verarbeiter sind für den vorderen Bedarf gut versorgt und haben derzeit einen geringeren Kaufbedarf. Zudem gehen Handel und Verarbeiter davon aus, daß die Preise vorerst seitwärts tendieren, und signalisieren folglich kein drängendes Kaufinteresse.

Doch auch seitens der Landwirtschaft besteht kein sonderliches Interesse am Verkauf, so daß kein Preisdruck aufkommt. Mit 195 bis 220 Euro/t netto ab Hof (Strecke) sind die Weizenpreise auf den höchsten Stand seit Mitte 2008 geklettert. Allein seit Anfang sind die Erzeugerpreise um fast 80 % in die Höhe geklettert.

Der Preisauftrieb ist in den letzten Tagen zwar merklich abgeflacht, doch nach wie vor - vor dem Hintergrund der Hausse-Stimmung an den Warenterminbörsen - ungebrochen. Gestern reagierten die Börsen diesseits und jenseits des Atlantiks mit einem regelrechten Preissprung auf neue Nachrichten aus den USA und Rußland.

 

Fakten

  • USA: Aussaatprobleme
    Am 26.10.2010 gab das amerikanische Landwirtschaftsministerium die erste Bewertung der Weizen-Aussaat in den USA bekannt. lediglich 47 % der Aussaat wird derzeit als gut bis exzellent bewertet. Das wären 15 % weniger als zur selben Zeit im Vorjahr. Die Zahlen dokumentieren den schlechtesten Start in die neue Saison in den letzten 15 Jahren.

    Während in einigen wichtigen Anbaugebieten der USA Trockenheit das Zeitfenster für die Aussaat immer weiter verengt, behindern Gewitterstürme in anderen Regionen die Aussaat.
     Hausse-Tendenz

 

  • Rußland: Exportverbot - Ukraine: Exportquoten
    Rußland, im letzten Jahr noch viertgrößter Weizenexporteur, verlängert sein Exportverbot für Getreide. Einen entsprechenden Regierungsbeschluß hat Rußlands Premierminister Wladimir Putin am 22.10.2010 unterzeichnet. Das Exportverbot wird demnach bis zum 1. Juli 2011 aufrechterhalten, meldet die Nachrichtenagentur "RIA Novosti".
    Dem Bericht zufolge schätzt das russische Landwirtschaftsministerium die Ausfälle der Getreideernte durch Dürre und Hitze auf 13,3 Mio. Hektar. Dennoch beziffert Putin die diesjährige russische Getreideernte auf etwa 60 Mio.t. Unter Berücksichtigung der russischen Interventionsbestände bezeichnete er das Gesamtangebot damit als ausreichend, um die Inlandsnachfrage für die Bereiche food und feed (Nahrung und Futtermittel) von rund 75 Mio.t zu decken. Ein Export von Getreide sei jedoch nicht möglich, teilte Putin weiter mit.

    Für die Ukraine hat der Agrarminister Nikholay Prysiazhnyuk am 23.10.2010 enefalls eine mögliche Verlängerung der Exportquoten über den Jahreswechsel hinaus angekündigt. Im letzten Jahr behauptete die Ukraine noch den sechsten Platz unter den Weizen und den ersten Platz unter den Gerste-Exporteuren.
     Hausse-Tendenz

 

  • Osteuropa: Niedrigere Aussichten zur Ernte 2011
    In Rußland dürfte die Wintergetreideanbaufläche zur Ernte 2011 deutlich geringer als üblich ausfallen. Trockenheit hat die Aussaat in vielen Regionen beeinträchtigt. Am 20.10.2010 lag die Aussaat mit 13,3 Mio.ha deutlich hinter dem Stand vor einem Jahr (18,5 Mio.ha) zurück. Die nicht ausgesäten Flächen dürften im kommenden Jahr mit ertragsschwächeren Sommersaaten bestellt werden.

    In der Ukraine erfolgte die Aussaat von Weizen nach Angaben das Landwirtschaftsministeriums in Kiew mit 6,3 Mio.ha (Vj: 6,0) und von Gerste mit 0,97 Mio.ha (Vj: 1,1) etwas auf Vorjahresniveau. Damit bleibt die Aussaat unter den bisherigen Erwartungen zurück. Der Entwicklungsstand der neu ausgesäten Wintersaaten wird zu 80 % als gut bis zufriedenstellend bewertet. 13 % der Bestände sollen eine unbefriedigende Bestandsentwicklung zeigen.
     Hausse-Tendenz

 

  • Australien: Qualitätssorgen

    Das Wetterphänomen "La Niña" soll Australien in den nächsten Monaten mehr Regen bringen als üblich. Das prognostiziert das offizielle australische Wetteramt für die Monate November bis Januar. Für die im europäischen Winter stattfindenden Weizenernte könnte es somit naß werden. Das sind weniger gute Aussichten für die Weizenproduzenten, da Qualitätseinbußen zu befürchten sind.

    Bislang wird für Australien eine hohe Weizenernte prognostiziert, nadem ausreichende Niederschläge in den Anbaugebieten Ost- und Südaustraliens für eine gute Bestandsentwicklung gesorgt hatten. Lediglich in Westaustralien hat Trockenheit die Ernteaussichten reduziert.
     Hausse-Tendenz

 

 

Prognose
Rohstoffe - und damit auch Agrarrohstoffe - stehen aufgrund der anhaltenden Turbulenzen an den Devisenmärkten bei den Spekulanten weiter hoch im Kurs. Nach der Preis-Rallye seit dem Wochenanfang dürften die Börsen nach meiner persönlichen Einschätzung jedoch zunächst einmal eine Pause einlegen, da Gewinnmitnahmen auf dem Plan stehen dürften. Noch ist die Hausse-Stimmung jedoch ungebrochen. Ausschlaggebend für die weitere Markteinschätzung ist hier der weitere Verlauf der Weizenaussaat in den USA, dem weltweit größten Weizenexporteur.

Am Kassamarkt dürften die Geschäfte dennoch in zunächst ruhigen Bahnen verlaufen. Während die Verarbeiter hohe Lagervorräte kalkulieren und somit auf Kursrücknahmen spekulieren, bleiben die europäischen Anbieter in Erwartung einer weiteren Belebung des Exportgeschäftes zurückhaltend.

Nicht nur Back-, sondern auch Futterweizen tendiert nach meiner persönlichen Einschätzung fest. Nicht nur die verspätete Maisernte unterstützt das Preisniveau. Da die Brotgetreidemühlen in diesem Jahr zwangsläufig auch schwächere Qualitäten (Fallzahl, Hektolitergewicht) akzeptieren und zudem der Futterweizenexport in andere EU-Länder stetig läuft, bleibt auch bei Futterqualitäten der Preisspielraum nach unten eng begrenzt. Die aktuell noch gut bevorratete Futtermittelindustrie dürfte bereits ab Anfang Dezember einen wieder steigenden Anschlußbedarf haben.

 
 
 
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