Inzwischen steht die Weizenernte 2010 im Focus: Produktionsausfälle in Osteuropa. Viel zu nasse Wachstumsbedingungen im Osten der EU, in Teilen Kanadas und inzwischen auch in den USA. Der an den Euro-Kurs gekoppelte EU-Export. Wenige Wochen vor dem Erntestart - mehren sich die Unsicherheitsfaktoren.
Marktlage
Wieder eimal bremst die kalte Witterung den Vegetationsfortschritt der Weizenbestände. Die Erwartung eines verspäteten Erntestartes hat die Nachfrage der Verarbeitungs- und Exportbranche angekurbelt. Zahlreiche Verarbeitungsbetriebe haben sich in den vergangenen Wochen nicht nur für den Sofortbedarf, sondern auch für spätere Termine mit Brot- und Futterweizen eingedeckt.
Prompt lieferbare Mengen lassen sich inzwischen nur noch vereinzelt bei den Erzeugern mobilisieren. Auch der Erfassungshandel hat seine Mengen aus der Ernte 2009 weitgehend durchgehandelt, so daß kaum noch Mengen frei verfügbar sind. Die Läger wurden weitgehend geräumt, um die anstehenden Wartungs- und Hygienemaßnahmen durchzuführen.
Der schwächere Euro-Kurs hat zudem die Exportaussichten am Weizenmarkt deutlich verbessert. Umfangreiche Exporte haben die Weizenvorräte EU-weit deutlich abgebaut. Laut EU-Kommission erteilte sie in der Woche bis zum 15.06.2010 Exportlizenzen für Weichweizen über 628.000 t. Das ist ein Anstieg um 60 % gegenüber der Vorwoche und der zweithöchste Wert seit Beginn der europäischen Erntesaison im vergangenen Juli.
Wie am Wochenende bekannt wurde, hat Saudi-Arabien 990.000 t Weizen mit Proteiingehalten über 12,5 % in Deutschland und Kanada zur Lieferung ab Oktober gekauft - eines der größten Importgeschäfte in diesem Jahr.
Hochwertiger Backweizen ist inzwischen so gut wie ausverkauft, da für den Export vorrangig Backqualitäten mit hohen Proteinwerten gefrangt sind. Lediglich schwächere Weizen-Qualitäten werden noch vereinzelt angeboten.
Nicht nur die Kassamarkt-Preise für alterntige Ware haben sich verteuert, auch die Preisnennungen für die 2010er Weizen zur Lieferung ex-Ernte nähern sich den aktuellen Preisen für prompte Lieferungen immer stärker an.
Auch an den Warenterminmärkten haben die Notierung trotz des Erntestarts auf der Nordhalbkugel ins Plus gedreht. Der August-Termin an der europäischen Warenterminbörse Euronext, Paris verbesserte sich im heutigen Vormittagshandel auf über 140,00 Euro/t. Spätere Fälligkkeitstermine notierten ebenfalls höher.
Trotz der weltweit noch immer komfortablen Versorgungslage bei Weizen reagierte auch der amerikanische Markt mit Preisteigerungen. Der Juli-Termin am US-Markt, zum Beispiel an der Warenterminbörse KCBT, zog im Vergleich zum Ende der Vorwoche um 4,4 % auf umgerechnet 147,68 Euro/t an.
Fakten
-
EU: Höhere Ernte - bessere Exportaussichten
Nachdem sich die Vegetationsbedingungen verbessert haben, erwartet man für Deutschland derzeit eine durchschnittliche bis leicht überdurchschnittliche Getreideernte. Die Weizenernte dürfte größer als im Vorjahr ausfallen, da der Anbau von Winterweizen um 2,4 % ausgedehnt wurde.
Für die EU-27, den zweitgrößten Exporteur am Weltmarkt, prognostiziert die EU-Kommission eine niedrigere Getreideernte als im Vorjahr. Mit einer Produktion von 290 Mio.t wird die Erntemenge rund 1,7 % kleiner als im Vorjahr geschätzt (295 Mio.t). Die EU-Weizenernte dürfte aufgrund der Anbauausdehnung allerdings größer ausfallen.
Zuletzt hat der Branchenanalyst Strategie Grains seine Prognose für die Weichweizenernte in Frankreich, Irland und Großbritannien aufgrund der Frühjahrstrockenheit in Nordeuropa zwar nach unten revidiert. Doch für die EU-27 insgesamt wird mit 133 Mio.t dennoch eine um 2,5 % größere Weizenernte prognostiziert.
Hausse-Tendenz nur bei weiterhin günstigen Exportaussichten
-
Kanada: Regen behndert den Anbau
In Kanada, dem drittgrößten Weizen-Exporteur, geht man inzwischen davon aus, daß nicht alle Weizenanbauflächen aufgrund der anhaltenden Niederschläge bestellt werden können. Das Canadian Wheat Board erwartet für diese Saison einen witterungsbedingten Rückgang der Weizenflächen im Westen des Landes um 10 % gegenüber dem Vorjahr und damit für den Westen die geringste Anbaufläche seit 30 Jahren. Prognostiziert wird für West-Kanada ein Produktionseinbruch um 22 % gegenüber dem Vorjahr.
Hausse-Tendenz
-
Australien: Angst vor einer Heuschreckenplage
In Australien, dem weltweit viertgrößten Weizen-Exporteur, ist die Weizenaussaat weitgehend abgeschlossen und könnte nach ersten Prognosen das Niveau des Vorjahres erreichen. Doch mittlerweile befürchtet man, daß die schlimmste Heuschreckenplage seit zwei Jahrzehnten drohen könnte. Wissenschaftler rechnen mit dem Schlupf der Heuschrecken ab August. Derzeit werden umfangreiche Bekämpfungsmaßnahmen eingeleitet.
Hausse-Tendenz
Prognose
Der Weizenmarkt ist mittlerweile vollständig in den Focus der Ernteaussichten 2010 geraten. Die flotte Nachfrage der Verarbeitungsbetriebe und die unklaren Ernteaussichten in wichtigen Exportländern lassen - trotz der rückläufigen Notierungen an den Warenterminmärkten - eine insgesamt feste Preistendenz erwarten.
Aufgrund der erwarteten Ernteverzögerungen fragen Mühlen, Futtermittelwerke und Exportunternehmen auch in dieser Woche stetig alterntige Ware nach, um ihren Anschlußbedarf bis zur neuen Ernte zu decken. Die nur noch knapp verfügbaren Restmengen erzielen weiterhin Preisaufschläge.
Auch bei neuernteigem Weizen dürften nach meiner persönlichen Meinung die Unsicherheitsfaktoren zur Ernte 2010 vorerst für eine kontinuierliche Nachfrage am Kassamarkt und damit für einen stabilen Preistrend sorgen. Dennoch ist zu erwarten, daß das mit dem Erntestart stark ansteigende Angebot in den nächsten Wochen für Marktdruck sorgen wird. Sollten sich die niedrigeren Ernteerwartungen bestätigen, erwarte ich persönlich nach Abschluß der Ernte eine Fortsetzung des Aufwärtstrends, - sofern die globale Konjunkturerholung anhält, die EU-Exporte florieren und hohe Rohölpreise den Bioenergiesektor stützen.