Getreide: Finanz-Chaos lähmt den Markt

S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 08.10.2008


Die Finanzkrise nimmt die Agrarrohstoffmärkte immer stärker in den Würgegriff. Die fundamentalen Daten werden am Markt inzwischen durch Faktoren wie Hysterie oder Panik überdeckt. Wie lange wird dieser Wahnsinn noch weitergehen?

Marktlage
Negative Meldungen und Paniksignale von den Kapitalmärkten bringen auch die Agrarrohstoffmärkte immer stärker in Schwierigkeiten. Weder Milliarden-schwere Rettungspakete noch die Ankündigung von Leitzinssenkungen können die Lage beruhigen. Die Anleger versuchen zu retten, was zu retten ist und bringen damit nicht nur den Finanzmarkt in Ausverkaufsstimmung.

Inzwischen laufen die Umsätze mit Weizen, Raps und Co. am Kassamarkt auf absoluter Sparflamme. Im gesamten EU-Binnenmarkt kommen Geschäfte nur noch in seltenen Fällen zustande. Verarbeiter und Handel halten sich mit Neugeschäften in Erwartung weiterer Preisrückgänge zurück. Lediglich der Export über die Nord- und Ostseehäfen bringt eine leichte Marktentlastung.

Je länger die Unsicherheit bezüglich der weiteren Marktentwicklung anhält, desto gravierender wirkt sich der Preisdruck aus. Nicht nur die Großhandelspreise, sondern auch die Landwirtepreise geraten immer stürker in den Strudel der Finanzkrise. Auch wenn in den östlichen Bundesländern davon ausgegangen wird, daß bereits 40 % der Ernte vermarktet sind, so sind die Läger in anderen Regionen Deutschlands noch reichlich gefüllt.

Im Kielwasser der heute weiter abrutschenden Finanzmärkte geht auch die Talfahrt der Kurse an den Warenterminmärkten weiter.

 

Fakten

  • Welt-Rekordernte, doch die Versorgungslage bleibt knapp
    Weltweit bringen die Getreide-Produzenten 2007/08 eine neue Rekordernte ein. Nach den neuesten Zahlen des Internationalen Getreiderates wird mit einer Gesamt-Getreideernte von 1.754 Mio.t das Vorjahresergebnis um 66 Mio.t oder 3,9 % überschritten.

    Dennoch bleit die Versorgungslage knapp, da in vielen Ländern die Vorräte derart niedig liegen, daß der Bedarf größer ausfällt als in den Vorjahren. Mit 1.737 Mio.t wird der Verbrauch 3,2 % höher als im Vorjahr prognostiziert.

    Bei den Weltmarkt-Exporteuren Argentinien und Australien wachsen erneut die Sorgen, daß das derzeitige Niederschlagsdefizit zur Ernteverlusten führt. Eine weiterhin trockene Wetterlage und vorerst keine Aussichten auf Regen in den wichtigen Anbauregionen haben bereits zu einer Rücknahme der Ernteerwartungen geführt. Wenn es in den nächsten Tagen kein Regen fällt, dürften die Ernteprognosen erneut nach unten korrigiert werden.

    Abgeschwächte Baisse-Tendenz

 

Prognose
Nicht nur für die Marktbeteiligten, auch für die Analysten ist die derzeitige Marktlage trostlos. Die Kurseinbrüche an den Finanzmärkten lassen keinen Raum für eine vernünftige Bewertung der Angebot-Nachfrage-Situation. Inzwischen sind die Kurse so tief in den Keller gefallen, daß eigentlich eine Erholungs-Rallye bevorstehen müßte.

Eigentlich ..., denn es ist zu befürchten, daß nicht nur am Finanzmarkt, sondern auch an den Warenterminmärkten eine weitere Ausverkaufswelle bevorsteht. Wirre Verkaufshandlungen desillusionierter Investoren und Kursrückgänge sind dann an den Warenterminbörsen vorherprogrammiert.

Für die realen Kassamärkten würde dies bedeuten, daß die Geschäfte vollends zum Erliegen kämen. Bereits jetzt ist zu beobachten, daß sich die Käufer weitgehend vom Markt zurückgezogen haben. Verarbeiter kaufen nur noch prompte Mengen zu, die unbedingt benötigt werden.

Der Markt steht weitgehend still, da auch die aktuelle Nachfrage minimal ausfällt. Viele Verarbeiter hatten sich aufgrund der schlechten Erfahrungen mit der 2007er Preisrallye bereits frühzeitig und umfangreich mit Ware über Termingeschäfte versorgt.

Abwarten und Tee trinken heißt deshalb derzeit für viele Anbieter die Devise. Wenn die Lagervorräte bei den Verarbeitern schrumpfen, muß irgenwann Nachschub zugekauft werden. Nach meiner Einschätzung ist jedoch erst ab Dezember mit einem wieder etwas größeren Anschlußbedarf zu rechnen.

 
 
 
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