Braugerste: Höchstes Preisniveau seit Mai 2001
S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 13.10.2006


Nach Jahren permanenter Preisrücknahmen, demonstriert Braugerste jetzt mit einer rasanten Preisrally, was es bedeutet, wenn das Angebot die Nachfrage infolge falscher Marktsignale nicht deckt.

Marktlage
Mit nur noch 548.000 ha wurden in Deutschland auf der kleinsten Anbaufläche aller Zeiten lediglich 2,6 Mio.t Sommergerste geerntet.

Die Witterungskapriolen während der Ernte 2006 haben zudem regional zu Qualitätsmängeln und zu hohen Proteingehalten geführt und damit den Braugerstenanteil erheblich reduziert. Qualitativ hochwertige, frei verfügbare Braugerste ist daher zwischenzeitlich kaum noch zu beschaffen und erzielt Rekordpreise, die zuletzt im Mai 2001 gezahlt wurden.

Für die Saison 2006/07 stehen in Deutschland Schätzungen zufolge nur 1,0 - 1,2 Mio.t Sommerbraugerste (Vj.: 1,6) zur Verfügung. Bezogen auf eine Produktion von 1,8 Mio.t Gerstenmalz wird unter Einbeziehung eines Anteils an Wintergerstenmalz von 150.000 t mit einem Sommergerstendefizit von rund 1 Mio.t gerechnet.

Der Anteil an Gerste im qualitativen Grenzbereich (unter 90 % Vollkornanteil, Proteingehalt bis 12,5 %, leichter Auswuchs), die zu Braumalz verarbeitet werden, dürfte daher deutlich höher ausfallen als in Normaljahren.

Nachfrage nach diesen abfallenden Sommergerste-Qualitäten besteht derzeit auch seitens der Futtermittelhersteller, die den teuren Weizen - soweit dies möglich ist - durch Futtergerste ersetzen. Daher wird auch qualitativ schlechtere Braugerste zunehmend knapper angeboten.

Seit der Ernte 1996 schwankte die sogenannte "Braugerstenprämie" - also die Preisdifferenz zwischen Futtergerste und Braugerste - zwischen 5 und 45 Euro pro Tonne für freie Ware. Aktuell liegt die Braugerstenprämie bei +38 Euro/t und macht diese Kultur erstmals seit Jahren für die Landwirtschaft wieder betriebswirtschaftlich attraktiv.

Die Kursentwicklung an den Kassamärkten und den Warenterminmärkten zeigt inzwischen wieder in dieselbe Richtung - nach oben. Freie Ware ist derzeit trotz deutlicher Preisaufschläge an den Erzeuger-, Großhandels- und Terminmärkten nur mit Schwierigkeiten zu beschaffen.

Die Kurse an der europäischen Börse Warenterminbörse RMX in Hannover spiegelt die knappe Versorgungslage und die Hausse-Stimmung wider.

Die Großhandelspreise in Deutschland reagierten aufgrund der Anbaueinschränkungen in Deutschland bereits eher als die Warenterminbörse mit einem Kursanstieg. Zuletzt wurde Braugerste an der Produktenbörse Mannheim mit 185-188 Euro/t 48,50 Euro höher bewertet als im Vorjahr. Das entspricht einer Preissteigerung von 35 % (!) im Vergleich zum Vorjahr.

 

Fakten

  • Braugerste ist EU-weit knapp
    Für die deutschen Mälzereien ist es schwierig, den Fehlbedarf über Importe abzudecken. Auch in den anderen EU-Produktionsländern fielen die Ernten geringer aus. In der EU dürfte das Sommerbraugerstendefizit bei ca. 500.000 t liegen.

    In dem traditionellen Exportland Dänemark wird der Exportrahmen erheblich keiner ausfallen als in Normaljahren (nur 400.000 t statt 900.000 t). Die Ernte in Tschechien ist so klein ausgefallen, das die Tschechische Republik vom Exporteur (200.000 t) zum Importeur (150.000 t) wird. Lediglich Frankreich und Großbritannien konnten halbwegs normale Erntemengen einfahren.
    Hausse-Tendenz

 

  • Malz - ein internationales Geschäft
    Der Malzbedarf beträgt weltweit jährlich etwa 17 Mio.t, der Produktionsanteil der deutschen Mälzereien beträgt etwa 12 %. Von dem weltweiten Malzbedarf werden rund 5 Mio.t an den Weltmärkten gehandelt. Im Gegensatz zu den meisten anderen großen Malz-Exportländern bedient die deutsche Malzindustrie hauptsächlich den Inlandsmarkt, doch immerhin 30 % der deutschen Malzproduktion werden ausgeführt.

    In Deutschland werden zur 1,8 Mio.t Gerstenmalz für die Versorgung im Inland und für den Export produziert. Herausragender Motor der wachsenden deutschen Exportgeschäfte der letzten Jahre war die Nachfrage nach Malz aus Osteuropa, insbesondere aus Rußland. Osteuropa bietet den EU-Exporteuren gute Wachstumschancen.
    Hausse-Tendenz

 

Prognose
Derzeit ist bei den Preissteigerungen am Braugerstenmarkt kein Limit nach oben in Sicht. Trotz steigender Angebotspreise gelingt es den Käufern nicht, Ware am Markt zu mobilisieren. Die Mälzereien sind gezwungen - sofern keine Produktionskapazitäten stillegelegt werden sollen - Braugerste vom Weltmarkt zu importieren. Doch auch am Weltmarkt liegen die Preise derzeit rund 90 Euro/t höher als noch vor einem Jahr. Und die Transportkosten verteuern Weltmarktware zusätzlich.

Nach meiner Einschätzung werden die Braugerstenpreise während der Vermarktungssaison 2006/07 zunächst weiter leicht anziehen. Der Preisanstieg wird allerdings durch die schrumpfende Rentabilität der Mälzereien, die ihre Preissteigerungen nur teilweise an die Brauereien durchhandeln können, begrenzt.

In den letzten Jahren wurde der Abschluß von Verträgen vor der Ernte aufgrund niedriger Vertragspreise für die Landwirtschaft immer uninteressanter. Seitens der Mälzereien wurden die falschen Marktsignale gegeben mit der Folge, daß die Landwirtschaft langsam und allmählich aus der Produktion ausstieg. Mit Blick auf die Ernte 2007 müssen jetzt alle Marktbeteiligten überlegen, ob der Anbau von Qualitätsbraugerste in Deutschland nicht auf eine neue, verläßliche Basis gestellt werden muß.

 
 
 
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