Die Hitze treibt nicht nur das Quecksilber, sondern auch
die Weizenpreise in die Höhe. Ernteeinbußen, Spekulationsgeschäfte
und Verkaufszurückhaltung bieten ein ideales Hausse-Umfeld. Wie geht es weiter?
Erntefortgang
im Galopp
Während in Südhessen nur noch vereinzelt Weizenbestände
auf den Mähdrescher warten, ist die Weizenernte in der Wetterau und in Mittelhessen
noch in vollem Gange. Auch in Nordhessen hat der Weizendrusch bereits begonnen.
In Deutschland und in gang Europa läuft die Ernte auf Hochtouren.
Soviel
läßt sich bereits heute zu den Produktionsergebnissen in Hessen sagen:
Frühe Standorte konnten - auch aufgrund einer standortangepaßten
Sortenwahl und Bestandesführung - gute Erträge und Qualitäten
produzieren, das die Niederschläge des Frühjahrs und in der zweiten
Mai-Hälfte voll genutzt werden konnten. Auch tiefgründige Standorte
sorgen für eine ausreichende Wasserversorgung während der Vegetationszeit.
Als problematisch hinsichtlich der Erträge und Qualitäten
kristallisieren sich immer mehr die späteren Standorte heraus. Vor allem
spätere Sorten und eine späte Terminierung der Düngungs- und Betandespflegemaßnahmen
gehen einher mit niedrigeren Erträgen durch Ährenreduzierung und hohem
Schmachtkornanteil.
Die inneren und äußeren Qualitäten
fallen in diesem Jahr sehr heterogen aus. Fallzahlen, Protein- und Sediwerte werden
in den bisherigen Ernteregionen als insgesamt durchschnittlich bewertet. Handel
und Verarbeiter zeigen sich mit den Qualitäten durchaus zufrieden.
Die
Trockenheit in vielen EU-Ländern läßt jedoch die Ertragserwartungen
sinken. Hitze und fehelnde Niederschläge in anderen Anbauregioen der Welt
lassen die globalen Produktionserwartungen schrumpfen.
Marktlage
- Rekordhitze bringt Preisanstieg
Die Weizenpreise ziehen in den
von der Hitze betroffenen EU-Ländern rasant an. Nachdem die Ernteprognosen
nach unten korrigiert wurden, reagierten die Produzenten mit großer Verkaufszurückhaltung.
Neues Erntegut wird umfangreich eingelagert, so daß weniger Ware in den
Verkauf kommt, als zur Erntezeit sonst üblich.
Da
der weitere Preisverlauf stark an die weitere Wetterentwicklung gekoppelt ist,
sichern viele Verarbeiter und Handelsbetriebe ihre Geschäfte an Warenterminmärkten
ab. Daher schnellten die Kurse an der Warenterminbörse RMX
in Hannover und an der Warenterminbörse Matif
in Paris für die Liefertermine der neuen Ernte knaß nach oben. Mit
insgesamt 19.371 Kontrakten erzielte die Matif einen neuen Handelsrekord.
Während die Kurse an der Warenterminbörse KCBT
leicht nachgaben, wurde auch höherwertiger Weizen aus Rußland und der
Ukraine wieder teurer. Die osteuropäischen Exporteure kaufen derzeit verstärkt
Weizen ein, so daß die Preise trotz Erntezeit wieder leicht anzogen. Eine
- aus europäischer Sicht - äußerst erfreulich Entwicklung.
Ukrainische Weizenexporteure schlossen zuletzt Verträge für höherwertige
Backqualitäten zu umgerechnet 100-105 Euro/t FOB Schwarzmeerhafen ab.
Die steigenden internationalen Preise ließen auch
die Großhandelspreise in Deutschland steigen. So wurde Brotweizen an der
Produktenbörse Mannheim mit
104,00-106,00 Euro/t rund 2,50 Euro höher bewertet als in der Vorwoche.
Qualitätsweizen zog um rund 3,50 Euro auf 109,00-113,00 Euro/t
franko Mühle an. Auch an den anderen Produktenbörsen
zogen die Kurse seit der letzten Woche an.
An den Kassamärkten
folgten die Erzeugerpreise bis zum Erntestart den starken Hausse-Impulsen, wie
zum Beispiel die Erlöse der Mitglieder des Realpreissystems CASH!
zeigen. Derzeit liegen die Erzeugerpreise für B-Weizen in Deutschland um
rund 17 % über den Kursen ein Jahr zuvor. .
Fakten
Welt: Produktionsdefizit
Der Internationale
Getreiderat (IGC) hat am 27.07.2006 seine Prognose des internationalen Weizen-Verbrauchs
2006/07 um 9 Mio.t auf 596 Mio.t zurückgenommen. Bei einem Verbrauch
von 611 Mio.t würde die Welt-Weizenproduktion den Bedarf ein weiteres
Jahr verfehlen. Das rechnerische Produktionsdefizit liegt jetzt bei rund 15 Mio.t.
in
Mio. t | Produktion |
Verbrauch | Endbestände |
Welt |
Welt |
Welt |
Haupt- exporteure |
1999/00 | 585 | 582 | 202 | 52 |
2000/01 | 582 | 584 | 201 | 53 |
2001/02 | 581 | 586 | 198 | 50 |
2002/03 | 566 | 601 | 165 | 43 |
2003/04 | 556 | 596 | 125 | 40 |
2004/05 | 629 | 616 | 137 | 55 |
2005/06 | 617 | 622 | 133 | 54 |
2006/07 Prognose vom: |
24.05.2006 | 601 | 612 | 118 | 44 |
28.06.2006 | 605 | 613 | 121 | 45 |
26.07.2006 | 596 | 611 | 118 | 43 |
Hauptexporteure: Argentinien, Australien,
EU, Kanada, USA Quelle: IGC |
Der
weltweite Verbrauch steigt infolge der wachsenden Weltbevölkerung weiter.
Die erwarteten Endbestände reichen für einen Zeitraum von 2,4 Monaten
aus. Für die kommenden Jahre wird damit gerechnet, daß die Nachfrage
schneller steigen wird als die Produktion.
Hausse-Tendenz
EU-25: Trockenheit reduziert die Ertragserwartungen
Am 29.06.2006 ging der EU-Dachverbandes des Getreide- und Futtermittelhandels
(Coceral) noch davon aus, daß die EU-25-Landwirte mit 117,8 Mio.t Weizen
eine um knapp 2 % bzw. um 2,5 Mio.t. höhere Ernte einbringen werden
als im Vorjahr (115,3). Für diesen Produktionsanstieg sind vor allem Frankreich
und Spanien verantwortlich, das nach der Dürreernte 2005 jetzt wieder eine
normale Produktion erwartet.
Seit Veröffentlichung der Prognose hat
sich die Trockenheit in weiten Bereichen der EU verstärkt. Da nach der Coceral-Prognose
die Anbaufläche leicht eingeschränkt wurde, basiert die Erwartung einer
höheren Produktion ausschließlich auf höheren Flächenerträgen.
Diese höheren Flächenerträge sind in den von Sommerhitze und Trockenheit
besonders betroffenen Regionen der EU bereits nach unten korrigiert worden.
Das
internationale Handelshaus Toepfer, Hamburg schätzte am 20.07.2006 die Weizenproduktion
der EU-25 jetzt auf 114,9 Mio.t um 0,3 % niedriger ein als im Vorjahr
(Vj.: 115,3). Auch die Ernte in Deutschland wird mit 23,2 Mio.t schwächer
prognostiziert (Vj.: 23,6).
Vorhersage vom 26.07.2006
| Vorhersage vom 27.07.2006
 |
Quelle:
Deutscher Wetterdienst (DWD) |
Deutschland
ist nach Einschätzung des Deutschen Bauernverbandes ebenfalls
von empfindlichen Ertragsverlusten betroffen, die regional mit bis zu 25 %
beziffert werden. Auch aus Norddeutschland wird jetzt von Ernteeinbußen
berichtet.
Italien ist - insbesondere
im Norden und in Mittelitalien - von der größten Trockenheit seit
30 Jahren betroffen. Die Weizenerträge dürften nach Schätzungen des nationalen
Bauernverbandes 9,2 % unter denen des Vorjahres liegen.
Frankreich
geht nach offizellen Angaben jetzt nur noch von einer Produktion auf Vorjahresniveau
aus.
Ganz unter dem Einfluß der anhaltenden Trockenheit und der
Befürchtung von Unwettern hat sich der Markt inzwischen auf eine Hausse-Phase
am europäischen Weizenmarkt eingestellt. Unterstützung erhält diese
Markteinschätzung durch die defizitäre weltweite Produktion, die auch
in dieser Saison den internationalen Bedarf nicht decken kann.
Selbst
wenn sich in den kommenden Tagen herausstellen sollte, daß die EU-Produktion
doch höher ausfällt, als von vielen in den letzten Tagen befüchtet,
ist nicht zu erwarten, daß der Markt mit größerer Preisschwäche
reagiert. Landwirtschaft und Handel lagern in großem Umfang Weizen ein,
so daß kein Angebotsdruck zu erwarten ist. Mühlen und Futtermittelwerke
haben bisher - in der Hoffnung auf rückläufige Preise während
der Erntezeit - nur wenig Ware zugekauft, so daß noch ein hoher Bedarf
bei den Verarbeitern besteht. Futtermittelwerke aus den Niederlanden treten inzwischen
mit größerer Kaufbereitschaft am Markt auf. Brrot- und Futterweizenqualitäten
werden derzeit fast preisgleich gehandelt: Ein klares Indiz dafür, daß
die Futtermittelbranche, einer der Hauptabsatzmärkte für Weizen in Deutschland,
noch einen enormen Nachholbedarf hat.
Hausse-Tendenz
USA:
Unerträgliche Hitze und Trockenheit
In den USA haben Hitze
und Trockenheit in den letzten Tagen ein beinahe unerträgliches Maß
angenommen. Mittlerweile hat die Sonne die Böden zwischen Montana und North
Dakota im Norden und New Mexico, Texas und den anderen Südstaaten ausgetrocknet.
Auch das bisher von der Trockenheit noch weniger betroffene Kalifornien im Süd-Westen
leidet seit Tagen unter Temperaturen von bis zu 48°C.
In den USA hat die laufende Ernte zuletzt
wieder zu leichtem Preisdruck geführt. Die US-Preise liegen infolge erheblich
niedrigerer Ernteaussichten auf einem sehr hohen Niveau. Dürreschäden
dürften bei den Ernteprognosen zu weiteren Reduzierungen bei den Produktionszahlen
führen.
Hausse-Tendenz
Osteuropa
- Höhere Ernten als erwartet
Die Weizenernte in Osteuropa
fällt besser aus als noch im Frühsommer erwartet. Die optimale Wetterentwicklung
erlaubte es den Pflanzenbeständen die Frühjahrsniederschläge optimal
auszunutzen.
Polen erwartet nach den offiziellen Statistiken 6,9-7,2 Mio.t
(Vj.: 7,4) Winterweizen und 1,3-1,4 Mio.t (Vj.: 1,6) Sommerweizen.
In Rußland wird die Produktion niedriger ausfallen als im Vorjahr (47,7),
jedoch höher als zunächst befürchtet. Die Ukraine prognostiziert
ihre Weizenernte mit 13,6 Mio.t (Vj.: 18,7) deutlich niedriger als im
Vorjahr, jedoch höher als in den Vormonaten erwartet. Kasastan kann seine
Produktion nach Aussage des Landwirtschaftsministeriums auf 15 bis 16 Mio.t
(Vj.: 11,5) steigern.
Hausse-Tendenz
Prognose
Die
Sommerhitze erhitzt auch die Weizenmärkte. Die Marktbeteiligten haben sich
auf steigenede Kurse eingestellt. Verkäufer halten in der Erwartung weiterer
Preissteigerungen Ware zurück und lagern umfangreiche Mengen ein. Sollten
Unwetter zu weiteren Ernteeinbußen führen oder Niederschläge die
Ernte länger verzögern, ist mit einer weiteren Angebotsverknappung und
weiteren Preissteigerungen zu rechnen.
Die Preisrückgänge
am hochpreisigen US-Markt dürften nur von kurzer Dauer sein, da die US-Produktion
sehr viel kleiner als im Vorjahr ausfällt und in den besonders trockenen
Anbauregionen weitere Ernteeinbußen drohen. Der internationale Markt dürfte
seinen Hausse-Trend wahrscheinlich fortsetzen.
Nach meiner
Einschätzung dürften die Weizenpreise bereits während der laufenden
Erntezeit auf der Nordhalbkugel auch auf Erzeugerebene wieder leicht anziehen.
Nach Abschluß der Ernte ist mit stärkeren Preisanstiegen zu rechnen.
Da die Erntemenge in der EU trotz der bisherigen Ertragsrückgänge
bedarfsdeckend ist, sollte bei der Verkaufsplanung sorgsam auf den richtigen Verkaufstermin
geachtet werden. Nur solange das Angebot infolge der Verkaufszurückhaltung
klein bleibt, können weitere Preisanstiege erwartet werden.