Weizen: Wann schlägt das Produktionsdefizit durch?
S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 03.11.2005


Nach der Schußfahrt ins Erntetal konnten sich gute Backqualitäten seit September erfolgreich auf der Preisskala nach oben arbeiten, während für schwächere und mangelhafte Ware kaum Preisspielraum besteht. Weltbeit besteht ein weiteres Jahr ein Produktionsdefizit.

Marktlage
Seit dem Abschluß der Ernte ist die Geschäftstätigkeit deutlich zurückgegangen. Es wird nur noch wenig Ware gehandet, zumal die Verarbeiter derzeit nur eine begrenzte Nachfrage haben. Die Vorräte aus der Ernte decken zur Zeit den Verarbeitungsbedarf. Seit Beendigung der Ernte konnten sich die Preise leicht nach oben arbeiten.

Dabei spielt die Qualität der angebotenen Ware eine entscheidende Rolle. Einwandfreie backfähige Ware ("Standardqualität" oder besser) kann Preiszuschläge realisieren, während Problemware (Proteingehalte, Fallzahlen, Kleberqualität, HL-Gewicht) oft nur mit Preiszugeständnissen vermarktet werden kann. Die Mühlen sind noch nicht bereit, Ihre Qualitätsanforderungen niedriger einzustufen. Futterweizen wird über Bedarf angeboten, so daß die Erzeugerpreise auf der Stelle treten.

Auf Großhandelsebene notierte Brotweizen an der Produktenbörse Hamburg zur prompten Lieferung zuletzt bei 108,00 Euro/t netto franko - 1 Euro höher als in der Vorwoche, Futterweizen mit 103,00 Euro/t dagegen unverändert. An der Produktenbörse Mannheim wurde Eliteweizen mit 128-130 Euro/t, Aufmischweizen franko Mühle mit 114-116 Euro/t, Brotweizen mit 104-106 Euro/t und Futterweizen mit 90-92 Euro/t netto franko unverändert zur Vorwoche notiert. An der Produktenbörse Frankfurt lag Aufmischweizen bei 114-118 Euro/t, Brotweizen bei 105-108 Euro/t und Futterweizen bei 95-96 Euro/t netto franko - und damit über den Vorwochenpreisen.

Die Stimmung an den Kassa-Märkten spiegelt sich auch an den Warenterminmärkten wider. An den europäischen Warenterminbörsen konnten sich die Kurse für den Handel mit besseren Qualitäten aufgrund mangelnder Umsätze lediglich halten, während Futterweizen-Kontrakte etwas höher notierten.

An der WTB-Hannover notierte der Dezember-Termin für Weizen mit mindestens 11,5 % Protein mit zuletzt 109,50 Euro/t sogar 30 Cent unter dem Durchschnitt der Vorwoche. An der MATIF/Paris wurden die Kurse für Mahlweizen für den Termin November  2005 mit zuletzt 109,50 Euro/t nur 0,40 Euro/t über dem Durchnschnittskurs der Vorwoche festgesetzt. Spätere Termine mußten sogar Kursverluste in Kauf nehmen. Futterweizen an der LIFFE/London konnte dagegen mit zuletzt 101,04 Euro/t um 35 Cent über dem Durchschnittspreis der Vorwoche notieren.

Auf internationaler Ebene ließen neue Ernteprognosen in der letzten Woche die Kurse am Weltmarkt ansteigen und bescherten auch den Backqualitäten am heimischen Markt ein leichtes Preis-Plus.

Hintergrund sind Schätzungen, nach denen einer Welt-Produktionserwartung von 609 Mio.t (Vj.: 623) ein internationaler Verbrauch von 616 Mio.t (Vj.: 613) gegenübersteht. Das rechnerische Versorgungsdefizit beläuft sich folglich auf 7 Mio.t.

 

Fakten

  • Ernte in Deutschland: Minus 7 % - jedoch Qualitätsprobleme  
    Obwohl die Weich-Weizen-Anbaufläche in Deutschland zur Ernte 2005 um fast 2,5 % ausgedehnt wurde, lag die Erntemenge nach dem Rekordjahr 2004 aufgrund niedrigerer Hektar-Erträge mit 23,5 Mio.t rund 7 % unter der Vorjahresernte (Vj.: 25,4).

    In Deutschland müssen sich Erzeuger, Handel und Verarbeiter auf eine kleinere Ernte einstellen. Als deutlich problematischer erweisen sich jedoch Qualitätsmängel infolge der regional zum Teil stark verregneten Ernte. Vor allem in West- und Nordwestdeutschland kam es zu einem teilweise krassen Qualitätsabfall. Daher streuen die Qualitäten nach Angaben der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Detmold in diesem Jahr sehr stark:

    Qualitätskriterium
    Streubereite
    Ø 2005
    Ø 2004
    Einheit
    Protein
    7,9 - 19,9
    13,0
    12,5
    %
    Sedimentationswert
    10 - 79
    49
    43
    mL
    Kleber (RMT)
     
    692
    666
    mL/100g Mehl

    Die Untersuchungsergebnisse zeigen, daß - trotz insgesamt besserer Qualitätswerte - vor allem die stark abfallenden Partien zu Vermarktungsproblemen führen. Bei einer Bewertung der Probenergebnisse anhand der Kriterien der EU-Getreidemarktordnung müßten 7,4 % (Vj.: 10,1 %) aller Weizen als nicht interventionsfähig eingestuft werden. 8,9 % (Vj.: 13,0) fallen unter die Kategorie "Weichweizen mit Abschlag, 59,4 % (Vj.: 62,0 %) genügen den Anspüchen der Klasse "Weichweizen" und 24,3 % (Vj.: 14,9 %) der Klasse Qualitätsweizen. Große Probleme bereitet vielen Partien ein zu geringes Hektoliter-Gewicht, daß eine Vermarktungs an Mühlen zumindest erschwert.
    Hausse-Tendenz für einwandfreie Back-Qualitäten

 

  • Welt-Weizen-Verbrauch steigt weiter
    Der Internationale Getreiderat (IGC) hat am 27.10.2005 seine Prognose des internationalen Weizen-Verbrauchs 2004/05 nach oben korrigiert. Der Verbrauch soll jetzt nochmals um 1 Mio.t höher ausfallen als noch im September erwartet und damit die Welt-Weizenproduktion um rund 7 Mio.t übersteigen. Das amerikanische Landwirtschaftsministerium (USDA) setzte in seiner September-Prognose vom 12.08.2005 die Produktionserwartungen mit knapp 608 Mio.t dagegen rund 2 Mio.t niedriger als im August an - der Verbrauch wird auf rund 619 Mio.t geschätzt. Das rechnerische Produktionsdefizit liegt damit bei rund 11 Mio.t.

    Infolge des Produktionsdefizites schrumpfen auch die weltweiten Endbestände weiter. Lediglich bei den Hauptexporteuren Argentinien, Australien, EU, Kanada und USA bleiben die Vorratsscheunen gut gefüllt. Die komfortable Angebotslage hat seit dem Dürrejahr 2003 zu einem dramatischen Preisabsturz geführt - in der Grafik dargestellt anhand der CASH!-Preise in Hessen. Die (vorläufigen) Preise und Bestände für die Saison 2004/05 repäsentieren jedoch nur den Zeitraum Juli bis Oktober 2005.

    Nach diesen Prognosen würde die globale Weizenproduktion um rund 2,5 % unter der Vorjahresernte liegen.

    Vertraut man der neuen Schätzungen des IGC würde die weltweite Weizenernte 2005/06 den prognostizierten Verbrauch von 613 Mio.t um rund 3 Mio.t unterscheiten. Damit liegt die Produktion erneut den weltweiten Verbrauch, so daß es zu einem Bestandsabbau kommt. Nicht nur weltweit, sondern auch bei den Hauptexporteuren wird jetzt ein Bestandsabbau erwartet.

    in Mio. t
    Produktion
    Verbrauch
    Endbestände
    Welt
    Welt
    Welt
    Haupt- exporteure
    1999/00
    585
    582
    202
    52
    2000/01
    582
    584
    201
    53
    2001/02
    581
    586
    198
    50
    2002/03
    566
    600
    165
    43
    2003/04
    555
    593
    127
    40
    2004/05
    623
    613
    137
    53
    2005/06 Prognose vom:
    27.07.2005
    608
    613
    133
    52

    24.08.2005

    610
    613
    134
    51

    28.09.2005

    609
    615
    132
    49
    27.10.2005
    609
    616
    130
    46
    Hauptexporteure: Argentinien, Australien, EU, Kanada, USA
    Quelle: IGC

    Der weltweite Verbrauch steigt infolge der wachsenden Weltbevölkerung weiter. Die erwarteten Endbestände reichen für einen Zeitraum von 2,5 Monaten aus.
    Hausse-Signal

 

  • Intervention seit 01.11.2005 wieder geöffnet
    Die neue Interventions-Saison 2005/06 hat begonnen. Das Interesse an der Weizenintervention ist groß. Aufgrund der nur zögerlich anziehenden Marktpreise können gerade noch den Infterventionskriterien entsprechende Partien problemlos untergebracht werden. Hohe Transportkosten (Treibstoff, Maut) und das Risiko, daß ein Verarbeiter die Annahme einer schwächeren Partie verweigert, veranlassen viele Händler, mit der Intervention "auf Nummer Sicher" zu gehen. Fazit: Die Intervention dürfte ein marktwirksames Volumen an Verkaufsware aus dem Markt ziehen, so daß das übrige Angebot von dieser Marktentlastung profitieren könnte.
    Hausse-Tendenz

 

Prognose
Geringere Endbestände weltweit wie auch bei den Haupt-Exporteuren bringen erstmals wieder Hausse-Faktoren in die Kurserwartung ein. Die Kurse dürften - solange das Geschäft nicht wieder richtig in Gang kommt - stabil bleiben und nur allmächlich ertwas anziehen. Noch sind die Verarbeiter aus der Ernte versorgt. Ich erwarte jedoch im Laufe der ersten drei November-Wochen eine Nachfragebelebung seitens der Mühlen und Mischfutterwerke. Dann könnten die Kurse einwandfreier Backqualitäten etwas stärker anziehen. Insbesondere guter Aufmischweizen dürfte höhere Preisaufschläge realisieren.

Insgesamt hängt die Entwicklung des deutschen wie auch des EU-Weizenmarktes jedoch von einem Aufschwung am Exportmarkt ab.

Die Aussichten für die Ernte 2006 entwickeln sich bisher sehr günstig. In den meisten Anbaugebieten auf der Nordhalbkugel konnte die Aussaat unter günstigen Bedingungen erfolgen. Starke Trockenheit in Rußland und der Ukraine könnte jedoch zu einer geringeren Anbaufläche führen.

 
 
 
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