Weizen: 200 Euro-Marke im Visier?


S. Linker sabine.linker@llh.hessen.de Stand: 19.02.2014


Seitdem die Rallye an den Aktienmärkten einen Dämpfer erhalten hat, finden die Investoren wieder Geschmack am Agrarrohstoffmarkt. Gestern kletterte Brotweizen an der US-Börse in Kansas auf ein 10-Wochen-Hoch. Witterungs-Risiken lassen auch in Paris die Kurse steigen.

 

Marktlage
Eigentlich hat sich an der Nachrichtenlage nicht viel verändert: Die globale Versorgungssituation aus der Ernte 2013/14 ist äußerst komfortabel. Winter hat an der Exporthäfen der EU und der Schwarzmeer-Region praktisch nicht stattgefunden. Und der Internationale Getreiderat rechnet mit einem Anstieg der Welt-Weizenanbaufläche um 2,5 % zur Ernte 2014.

Dennoch hat der internationale Weizenmarkt in den letzten Wochen einen Schwenk nach oben vollzogen. An der US-Börse in Kansas stiegen die Kurse zum Börsenschluß auf umgerechnet 183,46 Euro/t. Das war die höchste Notierung zum Handelsschluß seit 10 Wochen.

Die steigenden Börsenkurse an der Warenterminbörse in Paris hatten bisher die Preise am Kassamarkt lediglich stabilisiert.

Doch inzwischen ist auch der Kassamarkt in einen Aufwärtstrend eingeschwenkt. Vor allem auf der Großhandelsebene - zum Beispiel am Exporthafenstandort Hamburg oder am Binnenhafenstand Mannheim - ziehen die Preise inzwischen deutlicher an.


Vor allem für das EU-Exportgeschäft ist Weizen gesucht. Doch das Angebot an freier Ware bleibt gut überschaubar, da viele Anbieter auf einen weiteren Preisanstieg spekulieren und Verkäufe weiter hinauszögern. Im der laufenden Saison summieren sich die vergebenen Exportlizenzen bis zum 12.02.2014 auf 18,5 Mio.t Weizen. Damit wurden bisher bereits 53 % mehr Lizenzen gezogen als im Vorjahr. Und sogar die Ausfuhren des Super-Exportjahres 2010/11 werden um 41 % übertrumpft.


Zahlreiche Begründungen für den Kursanstieg in den USA klingen angesichts der komfortablen Versorgungslage recht konstruiert. Genannt werden vor allem
• Logistik- und Nachschubprobleme, die nach der US-Kältewelle noch nicht völlig bereinigt sind, und
• die zunehmende Trockenheit in einigen Regionen der USA.

Doch gerade die zweite Begründung ist als Zukunftsspekulation zu werten. Bei kritischer Betrachtung sind für den Preisauftrieb wohl eher folgende Hausse-Signale maßgeblich:
• der verstärkte Einstieg der spekulativen Anleger an den Börsen,
• die von Woche zu Woche schlechtere Bonitierung der US-Weizenbestände im US-Süden und
• die Prognose einer erneuten Kältewelle in den USA in der letzten Februar-Woche nachdem
• in den "Südlichen Ebenen" keine Schneedecke die Feldbestände mehr schützt.

 

 

Witterungsrisiken in den USA
In den USA hat sich der Frost inzwischen in den Norden des Landes zurückgezogen. Gestern hat es zwar in den mittleren und nördlichen Gebieten des "Mittleren Westens" noch geschneit. Doch auch in weiten Anbauregionen im Norden ist die Schneedecke inzwischen sehr dünn geworden oder völlig geschmolzen.


Für die kommenden Tage werden Niederschläge und Gewitterstürme prognostiziert, zum Ende der Woche dann ein deutlicher Temperaturabfall. In den nächsten 1 bis 2 Wochen erwarten Meteorologen, daß eine Kaltfront bis in den Süden der USA vordringt.


Trockenheit und extreme Dürre bereiten derzeit vor allem der Landwirtschaft im Süden und Westen der USA erhebliche Probleme. Vor allem in Kalifornien herrscht Dürre-Notstand. Die üblichen Winterregenfälle sind weitgehend ausgeblieben. Die Wasserreservoire sind jetzt schon fast leer und für viele Landwirte geht es inzwischen um die Existenz, falls der Regen auch in den nächsten Monaten ausbleibt. Kalifornien produziert fast die Hälfte an Obst, Gemüse und Nüssen in den USA.


Nach den letzten Daten des US-amerikanischen Forschungsprojektes NDMC haben die meisten Gebiet des Südwestens seit Mitte Dezember 2013 weniger als 25 % des in Normaljahren üblichen Niederschlags erhalten.

Doch verglichen mit der Situation vor einem Jahr sind die wichtigen Anbaugebiete der "Südlichen und Nördlichen Ebenen" sehr viel weniger von dem Niederschlagsdefizit betroffen. Für die großen Weizen-, Mais- und Sojaanbaugebiete bleibt abzuwarten, ob wie sich die Bodenfeuchte in den nächsten drei bis vier Wochen entwickelt.

 

 

Prognose
Derzeit sind es weniger die fundamentalen Daten, die für den aktuellen Aufwärtstrend am Weizenmarkt verantwortlich sind. Vielmehr sind es die schärfer wahrgenommenen Witterungsrisiken, die den Kursen Auftrieb geben. So setzt sich nicht nur an den Börsen die Einsicht durch, daß - angesichts der Produktionsrisiken - höhere Risikoprämien einkalkuliert werden müssen.

Nicht nur die beschriebenen Frost- und Trockenheitsrisiken in den USA haben die Trendwende an den Börsen eingeläutet.
Auch in West- und Osteuropa ist der Winter auf dem Rückzug. Doch - rein kalendarisch betrachtet - sind auch hier die Winter-Risiken noch nicht völlig gebannt.
Wachsende Wetter-Sorgen gibt es auch in Australien. Der Sommer in "Down under" ist es seit Wochen viel zu heiß und zu trocken. Doch bis zur Aussaat sind es noch zwei Monate. Langzeitwettermodelle prognostizieren allerdings für die kommenden Wochen überdurchschnittliche Temperaturen und unterdurchschnittliche Niederschläge. Abzuwarten bleibt, ob zur Aussaat eine ausreichende Bodenfeuchte vorhanden ist.
Unterstützt wird der Preisauftrieb durch den Wettermarkt ind Südamerika und die Abwärtskorrektur der dortigen Ernteprognosen.

Nach meiner persönlichen Einschätzung dürfte in den nächsten 10 bis 14 Tagen
• das Exportgeschäft zunächst die Baisse-Wirkung einer komfortablen Versorgungslage überdecken,
• der im Vergleich zum US-Dollar starke Euro-Kurs das Exportgeschäft nur geringfügig belasten,
• die "Sonderangebote" aus der Schwarzmeer-Region erst zeitverzögert zu Preisdruck führen,
• die Witterungsrisiken vor allem in den USA den spekulativen Preisauftrieb untermauern.

Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß noch keine echte Trendwende erfolgt ist und daher die bisherigen Baisse-Faktoren noch aktiv sind. Wie positiv sich die weitere Marktsaison wirklich entwickelt, hängt letztendlich von der weitern Witterung zur nächsten Ernte auf der Nordhalbkugel ab.

 
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